Rezension: LTB 533 - Alles auf Anfang
Die Legende des ersten Phantomias – Alles auf Anfang – Teil 12: Der Edelmann hinter der Maske
(Marco Gervasio; 24 S.)
Im viktorianischen London des Jahres 1895 hängt im herrschaftlichen Anwesen Quackett Manor der Haussegen schief. Der junge John Quackett hat überhaupt keine Lust dazu, an einem Maskenball teilnehmen und sich verkleiden zu müssen. Sein strenger Vater ist empört darüber, dass John sich lieber mit den Geschichten von Robin Hood beschäftigt und die Auffassung vertritt, nur Menschen, die etwas Böses im Sinn haben, würden ihr Gesicht mit einer Maske verkleiden. Knapp 15 Jahre später hat es Lord Quackett nach Entenhausen verschlagen, wo er sich den konventionellen Zwängen des Adels nur ungern beugt. Hinter seinem Rücken räuspern die anderen Blaublütler empört die Nase. Bei einem Ball lernt Lord Quackett den zerstreuten Querdenker Darendorf Düsentrieb kennen. Die beiden finden Gefallen aneinander und John begrüßt es, nicht mehr nur als Lord angesprochen zu werden. Plötzlich steht die Polizei in Gestalt von Inspektor Pinkus vor der Tür und führt Herrn Düsentrieb in Handschellen ab! Um die Unschuld seines Freundes zu beweisen, schlägt Lord Quackett eine neue Richtung in seinem Leben ein – und greift zu Maske, Cape und Sprungstiefeln.
Nach "Der Schatz des Dogen" aus LTB 529 (siehe hier) geht es nun endlich weiter mit der Legende des ersten Phantomias, die uns seit Band 453 immer mal wieder im Lustigen Taschenbuch begleitet hat. Nun endlich liefert Marco Gervasio einen Auftakt zu der Serie und führt uns in die Ursprünge des Gentlemandieb ein. Obwohl die Geschichte mit ihren 24 Seiten nicht besonders lang ist und einige Szenen verkürzt zeigt, wird die Verwandlung 1.0 ziemlich ansprechend in Szene gesetzt. Angefangen als starrsinniger kleiner Junge, der sich in der Welt des Adels und seines strengen Vaters eingeengt fühlt und sich auch als junger Mann zu langweilen scheint, gibt "die Maske" Lord Quackett einen neuen Sinn. Abgesehen davon, dass er sich nun neben Robin Hood an Zorro, Sherlock Holmes und Hercules Poirot orientiert, hat er in dieser Geschichte noch nicht sein selbstsicheres Auftreten gefunden. Noch ist er in der Lage, zu zögern. Die neu gewonnene Freundschaft verleiht ihm einen moralischen Antrieb, von dem in folgenden Episoden gefühlt nicht mehr so viel zu Tage tritt.
Obwohl Marco Gervasios Stärken vor allem beim Erzählen einer Geschichte liegen, sind die Zeichnungen solide und bieten einige nette Details: So ist auf dem Cover des Buches "Die Legende von Robin Hood" Donald in Gestalt des Scarpa-Klassikers "Die Abenteuer von Donaldin Hood" (LTB 74) zu sehen; dass Bild, welches den Tresor verdeckt, ist eine (bekleidete) Version der "schlummernden Venus" und das Panel, in dem Lord Quackett sich in Phantomias verwandelt, ist 1:1 aus Martinas/Carpis "Die Verwandlung" (LTB 41) übernommen!
Mich hat etwas gestört, wie wenig der eigentliche Kriminalfall behandelt wurde und wie kurz Lord Quacketts Bruder Henry eingeführt wurde. Außerdem hat mich der Szenenwechsel nach Entenhausen verwirrt, denn das Entenhausen des Jahres 1910 sieht genau so aus wie das London des Jahres 1895 (abgesehen von dem Geldspeicher im Hintergrund). Insgesamt jedoch eine gelungene Vorstellung und liebevolle Hommage an den Rächer Phantomias.
Zuletzt aktualisiert: 11.06.2020, 09:40