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Rezension: LTB 562 - 19.999 Meilen unter dem Meer

Cover

Nachdem uns die LTB-Reducktion in den letzten beiden Ausgaben des Lustigen Taschenbuches erst an den Strand und im Anschluss ins Meer geschickt hat, ist es für den neuen Band 562 nur folgerichtig, dass wir Donald, Micky & Co. nun auf Abenteuer unter Wasser begleiten. So werden die Leserinnen und Leser des neusten LTBs eingeladen auf eine wundersame Reise "19.999 Meilen unter dem Meer". Man muss weder Ozeanographie noch Literaturwissenschaften studiert haben, um zu erahnen, dass es sich bei der von Francesco Artibani und Lorenzo Pastrovicchio entwickelten Titelgeschichte um eine freie Interpretation des berühmten Abenteuerromans von Jules Verne handelt, die immerhin 56 Seiten einnimmt und einige Entenhausener versammelt.

Noch ein paar Seiten länger tragen uns Marco Nucci und Giorgio Cavazzano die zweiteilige "Ballade des Klaas K. Klever" vor. Was es mit dem ominösen zweiten Vornamen von Onkel Dagoberts ewigen Rivalen auf sich hat und aus welchen Gründen der zweitreichste (drittreichste?) Mann der Welt in einer argen Sinnes- und Schaffenskrise befindet, klärt sich am besten durch die Lektüre der Geschichte selbst.

Des Weiteren helfen Micky und Goofy ihrer Freundin Minni beim Entrümpeln, Dussel Duck kauft sich einen aberwitzigen Sessel und Superheld Phantomias steht plötzlich in der Schuld des eigenbrötlerischen Einsiedlers Habakuk, der eine seltene Riesenrübe sein Eigen nennt, auf die es zwei windige Kriminelle abgesehen haben.

Nicht in 19.999 Meilen, sondern in nur wenigen heruntergescrollten Zentimetern gehen wir LTB 562 auf den Grund und ergründen, ob man beim Lesen einen Tiefenkoller befürchten muss oder einige Schätze darauf warten, geborgen zu werden: Viel Spaß!

Von Entenfan


Der Inhalt:
Titel Autor (A), Zeichner (Z) EV-Jahr Seiten Rezension
19.999 Meilen unter dem Meer A: Francesco Artibani; Z: Lorenzo Pastrovicchio 2020 56 Klick!
Keine Panik! A: Roberto Moscato; Z: Federico Franzò 2016 20 Klick!
Der Rächer der Rübe A: Fausto Vitaliano; Z: Ettore Gula 2014 27 Klick!
Auf Nummer sicher A: Pietro Zemelo; Z: Roberta Migheli 2018 1 Klick!
Die Ballade von Klaas K. Klever A: Marco Nucci; Z: Giorgio Cavazzano 2021 63 Klick!
Angriff der Lärmmonster A: Vito Stabile; Z: Graziano Barbaro 2019 10 Klick!
Falschtontechnik A + Z: Corrado Mastantuono 2021 24 Klick!
Die (Un-)Glückssträhne A: Giorgio Fontana; Z: Giulio Chierchini 2019 8 Klick!
Kitsch und Krempel ohne Ende A: Francesco Vacca; Z: Mattia Surroz 2021 12 Klick!
Aus Alt wird Neu A: Davide Aicardi; Z: Marco Mazzarello 2021 20 Klick!
Der Überraschungskauf A + Z: Enrico Faccini 2020 8 Klick!
Mit Stock, Charme und Zylinder: Kleiderordnung A: Gorm Transgaard; Z: Andrea Ferraris 2022 1 Klick!




Was verspricht die Aufmachung des Bandes?

Für die deutschsprachige Leserschaft fängt wie gewohnt der Zeichner Andrea Freccero den Aufmacher für die Titelgeschichte des Lustigen Taschenbuches ein. Obwohl er bereits für das italienische Topolino 3355 eine Coverzeichnung für "19.999 Meilen unter dem Meer" anfertigte, wählt er eine gänzlich neue Gestaltung und ließ dieses Mal die kleinen Roboter-Eier weg. Während sich im Hintergrund weiterhin die stolze "Nautilus" erhebt (und ein ausbrechender Vulkan selbstredend nicht fehlen darf, gehört ja zum Standardrepertoire, siehe LTB 558 und 549), drängen sich Donald, Micky und Goofy in dieser Version auf ein paar aus dem Meer herausragenden Felsen. Dabei ist Donald so opulent in den Vordergrund gerückt, dass seine beiden Freunde zum deplatzierten Beiwerk verkommen und mir völlig schleierhaft ist, warum Micky und Goofy in gegensätzliche Richtungen stürmen, wo sich die "Nautilus" doch direkt hinter ihnen befindet (und wer bei Neptuns Dreizack diese eigentlich steuert)? Abseits der Frage, wer die drei Helden auf der Landzunge ausgesetzt hat, wundert mich, wo zum Klabautermann der Helm von Donalds Taucheranzug abgeblieben ist?!




Was taugt die Titelgeschichte als Crossover und Adaption?

Das Abenteuer beginnt im Jahr 1870 am Hafen der amerikanischen Metropole New York, wo ein stolzes Schlachtschiff bereit zum Ablegen ist. Der junge Meeresforscher Michel "Micky" de Souris schafft es gerade noch, sich durch die Meute von Journalisten am Kai zu schlagen und an Bord des Panzerkreuzers "Alabama" zu gehen. Dort macht er schon nach kurzer Zeit Bekanntschaft mit dem einsilbigen Käpt'n Farrabut, der die Mission leiten wird, zusammen mit der Besatzung ein mysteriöses Seeungeheuer ausfindig zu machen. Als erfahrener Jäger ist der skrupellose Ned Karlo mit an Bord, der mit seiner Harpune Jagd auf das Ungetüm machen will und es am liebsten sofort ausschalten möchte. Micky sieht das als Wissenschaftler deutlich nüchterner und mahnt zur Zurückhaltung. In dem tollpatschigen Matrosen O'Quack gewinnt Micky schnell einen Freund und wichtigen Verbündeten auf der strapaziösen Reise, die länger andauert als angenommen.



Irgendwann scheint der Zeitpunkt gekommen zu sein, dem Seemonster Auge in Auge zu blicken, doch Micky und O'Quack gehen genau wie Käpt'n Farrabut und Ned Karl im Sturm über Bord. Sie überleben und finden sich an Bord eines gigantischen Unterseebootes wieder. Der eigentümliche Erfinder und Kapitän Nemo heißt sie an Bord der "Nautilus" willkommen und beeindruckt die vier Seemänner schwer. Nach einer langen Fahrt sehen Kapitän Farrabut und Ned Karlo ihre Chance gekommen, eine Meuterei anzuzetteln und den in ihren Augen viel zu gutmütigen Nemo als Steuermann der Nautilus abzusetzen, um mit dem U-Boot Schätze zu bergen und sich gegen die mächtigsten Flotten der sieben Weltmeere zu behaupten. Die ehrbaren Freunde Micky und O'Quack sind dagegen und tun sich mit Kapitän Nemo zusammen, um der Meuterei 19.999 Meilen unter dem Meer ein Ende zu bereiten.

Die Disney-Version von "20.000 Meilen unter dem Meer" aus dem Jahr 2020 versteht sich – wenn überhaupt – nur als freie Anlehnung an den französischen Literaturklassiker von 1870 und greift einige Elemente der Vorlage auf, so zum Beispiel den tollkühnen Plan des Kapitäns, den mit Eis bedeckten Südpol zu unterqueren. Während man im Roman erst nach einiger Zeit etwas über die technischen Komponenten der Nautilus erfährt, gibt es im Comic schon am Anfang ein paar Erklärungen um die eiförmigen Mini-Roboter (die Anspielung auf die *seufz* Minions ist offensichtlich beabsichtigt) und die Energiequelle, wenngleich auch ein paar Details wie die Versorgung mit Luft und Lebensmitteln nicht erläutert werden. Der Charakter von Kapitän Nemo bleibt geheimnisvoll und unnahbar, wobei es für den Disney-Comic natürlich ein Leichtes ist, wesensgleiche Punkte von Goofys Charakter aufzugreifen. So verwundert es nicht, dass im Gegensatz zum Steuermann der Nautilus die anderen Figuren relativ farblos und in ihrem Handeln auch recht vorhersehbar bleiben. Einzig der schurkische Käpt'n Farrabut bekommt noch eine seltsame Background-Story spendiert, die ich allerdings nicht besonders interessant und erwähnenswert fand. Donald als O'Quack ist im Zusammenspiel mit Ned Karlo zuständig für einige witzige Gags, Micky hält selbstverständlich die Fahne der Moral hoch über seinen beiden runden Ohren.



Leider bekommen wir in meinen Augen nicht besonders viel geboten an spannungsgeladenem Inhalt und aufregenden Wendungen. Die paar Tropfen Dramatik machen das Fass nicht voll, und überhaupt wirkt die kunterbunte Welt viel zu fröhlich und frei von absonderlichen Gefahren, die im Originalwerk so zahllos beschrieben sind. Das gilt in gewisser Weise auch für die Zeichnungen von Lorenzo Pastrovicchio, der sich stark auf die gelungenen Figuren konzentriert (Donald sieht ein bisschen aus wie sein früheres Cartoon-Ich, Plattnase bekommt ein kantiges Kinn und Karlo ein bisschen mehr Backenbart), vielleicht aber an der ein oder anderen Stelle die großformatigen Panels vernachlässigt. Viel zu sehen gibt es von der Unterwasserwelt nämlich nicht, nicht einmal im eiskalten Meer der Antarktis ist die bedrohliche Atmosphäre bei mir spürbar. Die Darstellung der Nautilus ist gut und erinnert mich spontan an das gleichnamige U-Boot aus dem Kinofilm "Die Liga der außergewöhnlichen Gentleman" (2003, u.a. mit Sean Connery), nur die Minion-Besatzung nervt ein bisschen.

Fazit: Eine etwas enttäuschende Literaturadaption, die handlungstechnisch hinter den sehr hohen Erwartungen zurückbleibt und den Ruf des Abenteuers vermissen lässt, aber als Crossover gut funktioniert und die Figuren bildlich gekonnt in Szene setzt.




Wie verträumt läuft das Familiendrama um Klaas K. Klever ab?

Onkel Dagoberts jahrelanger Widersacher und ärgster Konkurrent Klaas Klever ist entkräftet und ausgezehrt von den ewigen Duellen mit dem reichsten Mann der Welt, bei denen Klaas Klever regelmäßig den Kürzeren zieht und meist auf völlig wertlosem Land sitzen bleibt. Im Rückblick auf seine bewegte Familiengeschichte und besonders im Hinblick auf seinen charakterstarken Ururgroßvater Koenraad Klever sieht sich Klaas Klever als unwürdig, sein weltweites Finanzimperium weiter aufrecht zu erhalten. Den Grundstein dafür legte einst sein Vater Kuno Klever, den mit dem jungen und unerfahrenen Onkel Dagobert ein freundschaftliches Verhältnis verband. Frustriert und zu tiefst in sich gekehrt setzt sich Klaas Klever in der altehrwürdigen Villa seiner Ahnen zur Ruhe und möchte am liebsten auch von seinem Privatsekretär Anwantzer in Ruhe gelassen werden. Doch irgendwann im Verlauf einer stürmischen Nacht fasst Klaas Klever neuen Mut und besinnt sich auf seine Stärken. Im Handumdrehen erwacht in ihm eine energische Aufbruchsstimmung und er macht aus scheinbar schlechten Geschäften doch noch gewinneinbringende Deals. Klaas K. Klever ist zurück und entschlossen, der reichste Mann der Welt zu werden!



Auf Idee des Chefredakteurs des italienischen Topolino-Heftes, Alex Bertani, nahm sich Autor Marco Nucci der Figur des Klaas Klever an und entwickelte um Onkel Dagoberts Widersacher eine gefühlvolle Origin-Story. Dabei tritt offen zutage, dass Nucci den seit Jahrzehnten in der italienischen Comicschmiede gern genutzten Gernegroß mit Einstecktuch und Melone in deutlich positiveres Licht rückte. Insoweit kann man durchaus sagen, dass hier eine Umkehr der typischen Verhaltenskodexe der beiden Milliardäre zum Ausdruck gebracht wurde: Onkel Dagobert in einer an der Grenze der Legalität unvorhersehbaren Gerissenheit mit enormem Hang zur skrupellosen Schadenfreude, Klever dagegen als behütet aufgewachsenen Einzelgänger-Typen mit harter Schale und weichem Kern, dem es nicht nur darum geht, sich selbst etwas zu beweisen, sondern auch die Familie stolz zu machen. Kommt bekannt vor? Darf es!

Als Konzept für die Story mag sich das nicht schlecht anhören und ja, Nucci findet einige interessante Anknüpfungspunkte an Onkel Dagoberts Werdegang und transferiert diese auf Klevers Schicksal, jedoch immer wieder mit Brüchen. So wissen wir, dass Klaas Klever den Grundstock seines Vermögens nicht hart erarbeiten musste, sondern viel erbte und sein Imperium darauf aufbauen konnte. Erst sein reicher Vater Kuno Klever ermöglichte es ihm, ohne (körperlich) harte Arbeit zu Macht und Ansehen zu kommen. Einziger Begleiter ist sein Privatsekretär Anwantzer, wogegen Onkel Dagobert auf viele Verwandte und ein paar Freunde zählen kann. Diese Unterschiede werden vorsichtig angetippt und glücklicherweise nicht direkt gegenübergestellt. Als Leser darf man daher ruhig über die ein oder andere Sache nachdenken und eigene Interpretationsversuche wagen: Das gefällt mir wirklich gut.

Im Fieselschweif-Forum wurde bereits darüber diskutiert, in welchem Kontext "Die Ballade des Klaas K. Klever" zu betrachten ist. Die von Carl Barks erfundene und nur einmalig verwendete Figur wurde vor allen Dingen durch die italienischen Autoren der 60er und 70er Jahre geprägt, in denen Klaas Klever als ewiger Widersacher und eiskalter Rivale, der gerne auch mal mit den Panzerknackern gemeinsame Sache macht, inszeniert. In "Onkel Dagobert – Sein Leben, seine Milliarden" und in "Zehnerjagd zwischen den Zeiten" griff Don Rosa die Familie von Klever kurzzeitig auf, nicht zuletzt als Fan-Service. In dieser neuen Geschichte nun fokussiert sich Marco Nucci auf Klaas Klevers inneren Antrieb und seine tiefe Gespaltenheit. Das steht auch für meinen Geschmack in einem (wohl beabsichtigten) Missverhältnis zum altbackenen Klever. Vielleicht wird dies auch in Zukunft öfter angedeutet.



Jedenfalls nimmt sich die Geschichte sehr viel Zeit und glänzt mit Rückblenden und der inneren Aufarbeitung von Klaas Klevers Niederlagen. Der venezianische Maestro Cavazzano liefert hierfür hervorragende Zeichnungen, die in ihrer Atmosphäre und zum Teil in ihrer Schlichtheit beeindrucken. An vielen Stellen kommt der Comic ohne Text aus – und es ist auch gar nicht notwendig, dass etwas für alle lesbar gesagt wird, wenn man es sich doch selbst erschließen soll. Von glühendem Interesse ist bekanntermaßen das, was nicht gesagt wird. Wohl aus diesem Grund lässt mich das Ende der Geschichte mit einem faden Beigeschmack zurück, der ein bisschen nach zuckersüßem Kitsch schmeckt, der einerseits etwas vorhersehbar ist, andererseits dem soeben errichteten Rückgrat von Klaas Klever wieder in den Rücken fällt. Fraglich, was da noch greifbar bleibt. Abgesehen vom zweiten Vornamen des Melonenzerkauers natürlich.

Von daher: Eine faszinierende Geschichte in genau der richtigen Länge und mit ausdrucksstarker Umsetzung, die Klaas Klever in ein etwas anderes Licht rückt und uns nun auch den Blick in dessen Vergangenheit ermöglicht, aber von ein paar handwerklichen Fehlern überschattet wird.




Warum verteidigt Phantomias eine runzlige Rübe von Habakuk?

Die Herren Professoren Daiko und Pastinak können ihr Glück kaum fassen, als sie in ihrer Forschungseinrichtung davon erfahren, dass es tatsächlich noch ein lebendiges Exemplar der vom Aussterben bedrohten Art der Muffelrübe gibt. Diese äußerst anspruchsvolle Rübe gedeiht allerdings auf dem Hof von Habakuk, dem grimmigen Einsiedler aus dem abgelegenen Hinterwildenwaldwinkel. Die Wissenschaftler können Habakuk überzeugen, auf die Muffelrübe besonders gut acht zu geben und diese in stündlicher Regelmäßigkeit zu gießen. Allerdings hat Habakuk nicht genug Zeit, sich der Aufzucht und Hege der Muffelrübe zu widmen, da er bei einem Kochwettbewerb im Klub der Hinterwäldler die Siegertrophäe davontragen will. Da kommt es ihm gerade Recht, dass Donald alias Phantomias sich ungefragt auf seinem Hof umgezogen hat und der maskierte Held damit in der Schuld des Rübenzüchters steht. Um seine Publicity aufzubessern, lässt Phantomias sich einspannen und muss sich schon bald gegen lästige Rübendiebe zur Wehr setzen, die es auf die runzlige Riesenrübe abgesehen haben.



Ja, doch, eine sehr hübsche Anekdote aus dem eigenwilligen Einsiedlerleben von Habakuk präsentieren uns vorliegend Fausto Vitaliano und Ettore Gula. Die ungewöhnliche Kombination von Habakuk und Phantomias fruchtet, obwohl die Einführung des Zusammenspiels für mein Dafürhalten auch etwas einfacher hätte vonstattengehen können (also ohne Demaskierung und Allüren um die Geheimidentität). Es ist toll, wie sich Habakuk für seine Rübe einsetzt und es sich zum Ziel gemacht hat, bei dem Kochwettbewerb seines Klubs zu gewinnen! Das ergänzt den Charakter und das Ensemble um Habakuk sehr stimmig, und auch der Hund Tiger kann sich den ein oder anderen bissigen Kommentar nicht verkneifen. Der Habakuk-Teil der Story ist insgesamt deutlich stärker erzählt als der Helden-Epos um Phantomias, der ohne seine technischen Spielereien und sein Hightech-Heldenwerkzeug überhaupt nicht zurande kommen scheint. Witzig, dass der maskierte Rächer nur um seinen Ruf bedacht ist (was durch das Ende des Endes ganz hervorragend pointiert wurde!).

Sehr unterhaltsam und stimmungsvoll in Szene gesetzt: Gut!




Welche Töne spucken Donald und Daniel Düsentrieb beim Anblick von Lara Schlamassi?

Egal welche CD aus deiner umfangreichen Plattensammlung Sergei Schlamassi bei einem geselligen Abend auch auflegt, er trifft einfach nicht den Geschmack seiner beiden Kumpels Donald Duck und Daniel Düsentrieb. Diese beiden haben nämlich nur noch Ohren und vor allen Dingen Augen für Sergeis sportliche Schwester Lara, die sich als Sängerin verdingt und noch auf den ganz großen Erfolg hofft. Die hübsche Blondine hat Bekanntschaft mit dem nur schwer greifbaren Quinn Tero gemacht, der sich ihr als Pianist angeschlossen hat und zu großen Höhenflügen anspornt. Fortan treten die beiden als Duo an und auch ansonsten scheint sich der schleimige Tastenquäler an Lara heranzumachen. Donald und Daniel sind hochgradig entsetzt und innerlich aufgewühlt von dieser unverzeihlichen Kooperation, wogegen Sergei Schlamassi daran nichts Ungewöhnliches erkennen kann und seine Freunde zur Vorsicht ermahnt. Aber Donald und Herr Düsentrieb versuchen von nun an, Quinn Tero zu blamieren und sabotieren daher seine Auftritte mit Lara. Dabei stellt sich allerdings nicht der gewünschte Erfolg ein, und als Lara von den Machenschaften ihrer beiden besten Fans erfährt, ist sie zurecht außer sich. Was verbirgt Quinn Tero hinter seinem schmallippigen Lächeln?



Wenn eine neue Geschichte mit Sergei Schlamassi auf dem Programm des LTBs steht, darf man sich auf eine gehörige Portion unterhaltsamer Absurditäten am laufenden Band aus der Feder von Corrado Mastantuono einstellen. Neu an dieser Gagstory mit dem kruden Titel "Falschtontechnik" ist allerdings, dass die Rollen einmal komplett vertauscht werden und nun Sergei als distanzierte Stimme der Vernunft auftritt, wogegen Donald und Herr Düsentrieb am Rad drehen. Von ihrer Eifersucht getrieben agieren die beiden beinahe blind und unterstützen damit auch noch die Karriere von Quinn Tero und Lara. Zwar ist es schön, dass Lara Schlamassi nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder zu sehen ist (und so schrecklich viele Geschichten gibt es mit ihr ja auch noch nicht), aber hier ist es für meinen Geschmack schon zu übertrieben dargestellt, wie impulsiv und regelrecht wollüstig Sergeis Kumpanen vorgehen. Eigentlich hätten die beiden eine gehörige Strafe verdient. Immerhin hält sich die seichte Handlung mit einigen Running-Gags über Wasser und vermittelt die ein oder andere musikalische Anspielung aus der Welt von Entenhausen. Mastantuono bleibt seinem unverkennbaren Stil treu und überdreht fast alle Panels mit aberwitzigen Details und knallbunten Formen und Farben.

Unterm Strich eine der ungewöhnlicheren Abenteuer von Sergei Schlamassi, aber beileibe kein Meilenstein der Disney-Comics.




Was sind die Tiefpunkte des Bandes?

Richtig mies kommt auch in diesem Band der komplett unlustige Einseiter der Serie "Mit Stock, Charme und Zylinder" von Andrea Ferraris daher, bei dem ich nicht einmal den Gag an sich verstehe, weil die Situation irgendwie komplett austauschbar wirkt. Morgen schon wieder ein alter Hut!



Und wo wir gerade bei altgedienten Kopfbedeckungen sind: In "Angriff der Lärmmonster" stülpt sich der ausgezehrte Donald gleich mehrere Hüte über den Kopf, um den von seinen Neffen Tick, Trick und Track fabrizierten Krach nicht mehr ertragen zu müssen. Die Jungs spielen lautstark ein neues Videospiel und haben ihrem erziehungsberechtigten Onkel auch noch die pädagogische Notwendigkeit dieser digitalen Anti-Aggression-Maßnahme erläutert. Komisch, dass der Donald des modernen Zeitgeistes dieses Argument so einfach gelten lässt und sich zurückzieht; denn ich bin sicher, dass ein Donald der vergangenen Jahrzehnte den Würmlingen schon mit dem Teppichklopfer klar gemacht hätte, wer im Haus das Sagen hat. So oder so wirkt diese Geschichte von Vito Stabile und Graziano Barbaro reichlich aufgebläht und strapaziert nicht vorhandene Schadenfreude über. Schlussendlich hat man schon wieder vergessen, was überhaupt die Ausgangssituation des Donald'schen Dilemmas war. Optisch ansehnlich, aber inhaltlich schlecht.




Welche Geschichte hält eine Überraschung bereit?

Wenn es mit einer Überraschung schon getan wäre, dann wäre unser Freund Donald Duck sicherlich nicht unglücklich gewesen über den Fortgang von "Keine Panik!" gewesen. An diesem Abend geht nämlich alles drunter und drüber für den vom Pech geplagten Enterich, als sein Vetter Dussel Duck ihn anklingelt und davon faselt, dass Donald sich auf der Straße, die er gerade lang geht, in Gefahr befände. Auf einer mehr als fragwürdigen Website hat Dussel nämlich gelesen, dass eine Art Vampir sein Unwesen in Entenhausen treibt. Dabei hat Donald gerade ganz andere Probleme, denn ein kleiner ausgebuffter Fuchs hat seinen Haustürschlüssel geklaut und macht sich damit auf, einen abendlichen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Zwei trottelige Ganoven sind aus unerklärlichen Gründen auch hinter dem Fuchs her und ein offenkundig leicht beeinflussbarer Computer-Nerd ist ebenfalls mit von der Partie. Als zu allem Überfluss auch noch Dussel in Persona erscheint, ist das Chaos perfekt.



Wer noch hier durchblickt und eine bedeutungsvolle Logik sucht, ist wahrscheinlich allein auf weiter Flur angesichts der spärlichen Stadtbeleuchtung in Entenhausen. Autor Roberto Moscato will hier eine überdrehte Parodie auf Verschwörungstheoretiker und deren Einfluss im Internet hinlegen, aber das Produkt ist doch eher eine gelangweilte Gaunerkomödie. Für mein Verständnis ist Donald hier fast schon überflüssig und kann überhaupt nicht mehr wissen, wo ihm der Kopf steht. Auch die Rolle des Fuchses kann sich mir nicht erschließen, zumindest wird an keiner Stelle erläutert, wie er den Ganoven entkommen ist und weshalb er es ausgerechnet auf Donalds Schlüssel abgesehen hat. Das Beste an dieser grotesken Posse sind in meinen Augen die beiden bodenständigen Polizisten Bernd und Björn, die lieber erst einmal vorsichtig abwarten und besser nix überstürzen wollen. Ungemein sympathisch – was man von dieser Story leider überhaupt nicht behaupten kann.




Bei welchen Geschichten bleibt der Unterhaltungswert auf der Strecke?

Verblüffenderweise beschäftigen sich zwei direkt aufeinander folgende Geschichten mit dem gleichen Thema, nämlich unnützem Schund, der für andere doch noch ein Schatz sein kann.

Auf Seiten der Ducks wissen Donald, Daisy, Onkel Dagobert und Gustav Gans nicht mehr wohin mit all dem kitschigen Nippes von Primus von Quack. Dieser beschenkt seine Familie gern und reichlich, wenn er ein neues Diplom sein Eigen nennen darf – was ziemlich oft der Fall ist. Einzig Dussel Duck ist immer wieder angetan von den putzigen Geschenken seines Onkels und freut sich über seine mittlerweile recht ansehnliche Sammlung. Da verfallen die Ducks auf eine List, bei der am Ende aber nur Onkel Dagobert den Schnabel vorn hat und noch ein paar Taler verdient. "Kitsch und Krempel ohne Ende" von Francesco Vacca und Mattia Surrozist bleibt nicht mehr als eine belanglose Gagstory, die immerhin fast die gesamte Familie Duck versammelt und Primus von Quacks großzügige Seite betont.



Nur eine Seite weiter haben Micky Maus und Goofy in "Aus Alt wird Neu" ein ganz ähnliches Problem, denn sie sollen für die frisch als Präsidentin des Buchklubs gewählte Minnie Maus eine verstaubte Villa wieder auf Vordermann bringen und dabei so richtig ausmisten. Micky, der nicht unfroh darüber ist, Goofys umfangreicher Stammbaumkunde entgangen zu sein, stapelt einigen alten Plunder und kaputtes Zeug im Vorgarten der Villa. Allerdings sprüht Goofy nur so vor Ideen, wie man den Kram noch verwenden könnte und startet mit Rudi ross eine Nacht-und-Nebel-Aktion, nach dessen Ausgang das große Haus fast wieder so aussieht wie vorher. Zum Glück sind Minnies Gäste mehr als angetan von Goofys Stil und dem zur Schau gestellten Upcycling.



Diese von Davide Aicardi geskriptete und von Marco Mazzarello umgesetzte Story wirkt wie die vorherigen auch etwas zu lang, bis die Pointe irgendwann zünden darf. Hier nervt mich noch die Nebenhandlung um Goofys ellenlange Ahnenreihe, die überhaupt nichts zur Sache tut, außer zu zeigen, dass Micky sogar lieber ein Haus entrümpelt als den Stammbaum der Goofs studieren zu müssen. Wobei er sich am Ende durchaus gelehrig zeigt, wodurch Mazzarellos fröhlichen Zeichnungen noch verstärkt werden. Ansonsten rasend schnell vergessen.




Was gibt es sonst zum Band zu sagen?

Dass Gundel Gaukeley ein leidliches Faible auf die "Nummer 1" hat, dürfte hinlänglich bekannt sein. Aber dass diese Leidenschaft auch für Produkte des alltäglichen Bedarfes gilt, ist neu: So geschehen im Einseiter "Auf Nummer sicher" von Pietro Zemelo und Roberta Migheli.



Um ein Schmunzeln kommt man beim Lesen von Enrico Faccinis Dussel-Komödie "Der Überraschungskauf" nicht umhin: Der quirlige Pudelmützenträger hat im Entnet ein Produkt für sage und schreibe einen Taler erbeutet. Nach der Lieferung stellt sich heraus, dass es sich dabei um einen absurd hässlichen Sessel handelt, der viel Raum für fantasievolle Spekulationen bietet. – Im erträglichen Maße absurd und daher noch unterhaltsam, ich hätte aber am Ende mit einer verwechselten Bestellung oder dergleichen gerechnet.



Das Lachen vergeht Donald und Dussel später in der kleinen Kurzgeschichte "Die (Un-)Glückssträhne", für die Giorgio Fontana und Altmeister Giulio Chierchini verantwortlich zeichneten. Darin scheinen die beiden Ducks dahinter gekommen zu sein, dass das ewige Glück von Gustav Gans in dessen güldener Locke verborgen liegen muss – zumindest ahnt es das Schoßkind des Glücks so. Aber als Donald seinem Vetter einen üblen Streich spielt und die Haarlücke grün färbt, haftet das Glück weiterhin an Gustav, sodass der Gegenbeweis für seine eigene These erbracht ist. Nett gemacht!




Welche Details kann man schnell übersehen?

Ständig kommt uns in der Ballade um Klaas Klever dessen zweiter Vorname unter: Kassandra. Er selbst erklärt diesen zweiten Namen damit, dass es Familientradition sei, den Vornamen der Mutter als zweiten Vornamen an die Nachkommen zu vergeben. In der italienischen Originalfassung kommt diese Erklärung überhaupt nicht vor (Danke an NRW-Radler!), weil Klaas Klever dort seinen amerikanischen Zweitnamen Davison behalten durfte, sie ist allein auf Mist der deutschen LTB-Reducktion gewachsen, die es dann gleich nochmal verbockt haben. Klaas Klever Vater heißt vollständig Kuno J. Klever, obwohl der Name der Frau von Klaas' Großvater Kunz Klever nicht mit J. anfängt, sondern die gute Frau Karoline heißt. In der Logik der deutschen Übersetzung wäre sie demnach nicht Kuno Klevers leibliche Mutter.

Auf Seite 43 wurde sowohl in das Nummernschild des Einsatzfahrzeugs der beiden Polizisten als auch in das des danebenstehende Auto "Polizei" gelettert, obwohl ja nur der Streifenwagen zur Polizei gehört. Die beiden Polizisten heißen übrigens Bernd und Björn, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Anspielung auf die von einer Satiresendung ausgelöste mediale Verwirrung um den tatsächlichen Vornamen eines deutschen Politikers.

In Dussels Regal auf Seite 189 steht eine kleine Figur, die Prinzessin Marbella irgendwie ähnlich sieht.

Klaas Klevers Karte von Entenhausen und Umgebung zeigt mit der Ausnahme von Quakenbrück keinen mir bekannten Ort (Satanszacke, Fürchtelforst).




Wie sieht das Fazit zu LTB 562 aus?

Cover Nach der äußerst schwachen Ausgabe aus dem vergangenen Monat, die eher von kürzeren Geschichten dominiert wurde, kann das Lustige Taschenbuch 562 mit zwei längeren Geschichten aufwarten, die zusammen fast die Hälfte des Bandes ausmachen. Auf die zur Titelgeschichte auserkorene Adaption des Literaturklassikers von Jules Verne haben sich viele Fans nach dem drückenden Dürre-Sommer bestimmt gefreut, aber auch "Die Ballade des Klaas K. Klever" wurde sehnlichst erwartet. Dass diese beiden Storys die stärksten in diesem LTB sind, verwundert nicht, da es ansonsten ziemlich viele Füller und junges Gemüse gibt. Allerdings fehlt es "19.999 Meilen unter dem Meer" an der unverkennbaren Philosophie des Unbekannten und dem unstillbaren Durst nach Abenteuer, den die Romane von Jules Verne so prägen. Donald, Micky und Goofy werden einfach an Bord der Nautilus verfrachtet und müssen die Meuterei von Plattnase und Kater Karlo aufhalten. Das mag als Grundidee für den Plot erstmal okay sein, aber die farbenfrohe Unterwasser-Welt hätte schon noch etwas mehr (will sagen: viel mehr!) Geheimnisse bieten müssen.

Das Tiefenmeter des Lustigen Taschenbuches 562 zeigt folgende Richtwerte:
1. Die Ballade des Klaas K. Klever
2. 19.999 Meilen unter dem Meer
3. Der Rächer der Rübe
4. Falschtontechnik
5. Der Überraschungskauf
6. Die (Un-)Glückssträhne
7. Kitsch und Krempel ohne Ende
8. Aus Alt wird Neu
9. Keine Panik
10. Angriff der Lärmmonster
11. Auf Nummer sicher
12. Mit Stock, Charme und Zylinder – Kleiderordnung

Die dramatische Erzählung von Klaas Klever hat mich am meisten mitgenommen und ohne Zweifel sehr berührt, was nicht zuletzt an den ungemein atmosphärischen Zeichnungen von Giorgio Cavazzano liegt. Jung-Autor Marco Nucci kann man hier wirklich ein Lob aussprechen (der deutschen LTB-Redaktion eher weniger…). Ausgesprochen unterhaltsam war zudem die Geschichte mit Habakuk und Phantomias, die viele komische Momente enthielt. Nicht unbedingt mein Humor war das Wiedersehen mit Lara Schlamassi, aber die anderen Geschichten waren inhaltlich noch dürftiger. Keinerlei Vergnügen bereiteten mit die völlig verrückte Story mit Donald, Dussel und dem Fuchs sowie Donalds Versuche, den Lärm seiner Neffen einzudämmen.




Was erwartet uns in LTB 563?

Nach dem am 13. September erscheinenden Lustigen Taschenbuch 563 "Von allen gejagt" dürften sich einige Leserinnen und Leser des lustigsten Buches der Welt sich die Lippen lecken: Sowohl bei den Ducks als auch bei den Mäusen erwarten uns zwei epische Abenteuer, die es endlich ins LTB geschafft haben! Einerseits wartet eine neue 80-seitige Mission auf Agent DoppelDuck, der bei Vitaliano und Zanchi wieder mit seiner alten Freundin Kay-K zusammenarbeiten muss, um die stärker als zuvor agierende "Aktinie" zu vernichten! Später geht es für Donald an der Seite von Dussel noch zu einem weiteren Auftrag für die O.M.A. (Jensen/Andersen). Spannungsgeladenes Highlight des nächsten LTBs sollte aber der Auftakt der von Marco Nucci und Casty kreierten "Phantom-Saga" (inoffizielle Bezeichnung) werden, die mit "Das weiße Phantopedilum" ihren zweiteiligen Auftakt nimmt! Achja, und dann beschert uns das Duo Snejbjerg/Ferraris noch eine Crossover-Story um Phantomias, in der sich die Entenhausener Unterwelt zusammentut. Bis dahin!




Zuletzt aktualisiert: 12.09.2022, 16:19
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