Kommentar: Die Außendarstellung von Egmont Ehapa

Für manch einen fühlt es sich befremdlich an, wenn Donald Duck ein Smartphone in der Hand hält oder Tick, Trick und Track im "Entnet" surfen. Diese erwachsenen Leser kennen die Disney-Comics noch aus ihrer Kindheit, wo es die heutigen technologischen Möglichkeiten noch nicht gab. Wenn Entenhausen aber ein Spiegel unserer Gesellschaft bleiben soll, müssen sich die Geschichten an unsere sich stets wandelnde Lebenswirklichkeit anpassen.
Auch ein Verlag wie Egmont Ehapa Media, der deutsche Lizenznehmer der Disney-Comics, muss der heutigen Zeit und ihrer veränderten Mediennutzung Rechnung tragen. Die Auflage der "Micky Maus" sinkt immer weiter: Im Quartal 2/2019 lag sie bei nur noch knapp 75.000 Exemplaren, in den 90er-Jahren waren es mitunter zehnmal so viele. Das Lustige Taschenbuch, das mittlerweile übrigens auch als eComic erhältlich ist, hält sich zwar deutlich besser, zugegebenermaßen sogar erstaunlich gut, auf lange Sicht wird es aber ebenfalls mehr und mehr an Auflage verlieren. Wie kann man die kindlichen Leser in Zukunft noch erreichen? Oder sollte man versuchen, sich eine breitere erwachsene "Nostalgie-Leserschaft" aufzubauen? Mit beidem tut sich Ehapa schwer.

These 1: Ehapa ist in Sachen Social Media eher schlecht aufgestellt

Wie man es besser macht, zeigen nicht nur Hobby-Twitterer wie Good Duck Panels oder Duck Porn, sondern beispielsweise auch das italienische "Topolino" (das Heft, aus dem die meisten LTB-Comics stammen). Denn die Kollegen von Panini posten nicht nur stupide Bilder, sondern weisen auf Veranstaltungen hin, retweeten andere Accounts, interagieren mit ihren Followern. Noch einen Schritt weiter geht Sanoma, der Lizenznehmer in den Niederlanden, der für viele verschiedene Figuren eigene Accounts angelegt hat. Donald ist mit über 150.000 Followern natürlich am beliebtesten (etwa zehnmal so viel wie der des Lustigen Taschenbuches), aber auch Katrien (Daisy) oder Kwik, Kwek en Kwak twittern fleißig. Unabhängig davon, wie unterhaltsam das in der Ausführung tatsächlich ist, zeugt es doch von einer gewissen Hingabe zu den Comics, die bei Ehapa und seinen 08/15-Postings kaum erkennbar ist.
Aber Twitter ist ja nicht das einzige soziale Netzwerk. Auf Facebook hat das Micky-Maus-Magazin zwar einen Account, jedoch im Januar 2016 angekündigt, eine Pause zu machen, "um sich für die Zukunft noch besser aufzustellen". Geschehen ist seitdem nichts.

Arbeit nach Maß also. Nun kann man natürlich den Standpunkt vertreten, dass diese Netzwerke per se belanglos sind und sie Ehapa dementsprechend gut verstanden hat. Nur glaube ich, dass man mit diesen Postings so gut wie gar nicht für die eigenen Produkte wirbt und sich erst recht keine treue Stammleserschaft aufbauen kann. Es ist zum Beispiel unverständlich, warum im Juni nirgends auf das Comicfestival in München hingewiesen wurde, bei dem unter anderem Star-Zeichner Giorgio Cavazzano zu Gast war. Wofür sonst, wenn nicht für solche Sachen, hat man Social-Media-Kanäle?
Auch auf YouTube, das von Kindern und Jugendlichen immer häufiger genutzt wird, ist Ehapa nicht wirklich präsent (hier der seit Mitte 2018 inaktive Kanal), obwohl es mittlerweile mit Thomie-TV einen Fan-Kanal gibt, der zeigt, dass hier durchaus eine gewisse Nachfrage nach guten Inhalten besteht. Aber hier müsste man mehr investieren, man müsste nicht nur ein paar lustige Bildchen heraussuchen, sondern eigenen "Content" produzieren.
Ist das zu mühselig für Ehapa, scheitert es an dem technischen Know-How oder ist die inhaltliche Expertise nicht vorhanden? Vielleicht eine Mischung aus allem, jedenfalls bekommt man den Eindruck, dass der Verlag an den eigenen Comics desinteressiert ist. Und auch an deren Machern, denen keinerlei Wertschätzung entgegengebracht wird. Erst kürzlich verstarb der italienische Zeichner Giulio Chierchini im Alter von 91 Jahren, der mit knapp 100 Comics und etwa 3500 Seiten so oft im LTB vertreten war wie nur wenige andere Zeichner. Außerdem hält der Genuese den Rekord für die längste Arbeitszeit, was Disney-Comics betrifft: Chierchini war von 1953 bis kurz vor seinem Tod aktiv, also knapp 66 Jahre. Da wäre wenigstens ein kurzer Hinweis auf den genannten Social-Media-Kanälen nicht verkehrt gewesen. Es ist einfach schade, dass Ehapa nicht daran interessiert zu sein scheint, die Autoren und Zeichner, die hinter den Comics stehen, zumindest ein bisschen aus der Anonymität herauszuholen.
These 2: Auch die sonstigen Webauftritte von Ehapa sind stark ausbaufähig

Den meisten Fans war die offizielle LTB-Seite lange Zeit egal, sie griffen sowieso auf die wesentlich fundiertere, besser strukturierte und liebevoll gestaltete Seite www.lustige-taschenbuecher.de zurück. Diese hat Ehapa aber im April 2017 selbst aus dem Spiel genommen: Webmaster Christoph Restel kündigte an, die Seite nach elf Jahren einzustellen, da er bereits ohnehin seit einiger Zeit mit Ehapa zusammenarbeite. Er versprach damals zwar, dass viele Inhalte nun auf die offizielle Seite übertragen würden, besonders viel hat sich seitdem aber nicht getan. Der Großteil – Inhaltszusammenfassungen, Rezensionen, User-Bewertungen, Interviews, Statistiken und andere nützliche Informationen – ist auf der Strecke geblieben und kann nur noch zum Teil über das Web Archive aufgerufen werden. Natürlich gab es auf der Seite auch kritische Rezensionen, dennoch ist unzweifelhaft, dass sie für das LTB mehr Nutzen als Schaden gebracht hat. Dafür zu sorgen, dass sie vom Netz genommen wurde, war quasi ein selbstzerstörerischer Akt von Ehapa.

Für das Donald Duck Sonderheft, die dritte Traditionsreihe von Ehapa, die mutmaßlich von besonders vielen Erwachsenen gelesen wird, gibt es keine eigene Website, der "Dialog" mit den Lesern findet ausschließlich analog statt. Die eingesendeten Leserbriefe werden veröffentlicht und meist relativ knapp beantwortet. Komplettiert wird der redaktionelle Teil von den sogenannten "Entenhausener Geschichte(n)", ein zweiseitiger Text von Comic-Experte Wolfgang J. Fuchs über ein bestimmtes Thema. Dass sich Fuchs gut auskennt, kann man kaum bestreiten, angesichts dessen, dass er diese Rubrik seit annähernd 30 Jahren führt, ist es aber verständlich, dass die Luft mittlerweile raus ist. Er recycelt häufig alte Themen und konzentriert sich dabei nicht selten auf Inhaltszusammenfassung von Zeichentrickfilmen und Barks-Comics (die für das Heft schon längst nicht mehr prägend sind). Diese listenhaften Texte sind viel zu eingefahren, viel zu bräsig und haben mit dem Heftinhalt kaum etwas zu tun. Die redaktionell altmodische und rein analoge Gestaltung der Reihe ist deshalb besonders zu bedauern, weil es vermutlich gerade hier eine Gruppe von Fans gäbe, die sich für weiterführende Inhalte interessieren würde. Dass man in der Ausgabe 387 vom August einem Leser empfiehlt, für genauere Informationen über alte Ausgaben einfach die von Fans aufgebaute Inducks-Datenbank zu benutzen, ist bezeichnend.
These 3: Ehapa kommuniziert sein eigenes, zum Teil fehlerhafte Handeln nicht oder nur unzureichend

Den Tiefpunkt in dieser Hinsicht markiert aber sicherlich die Micky Maus Edition 6. Der im März 2018 erschienene Band sollte die komplette Serie "Insel der Mythen" beinhalten, was auf dem Cover auch genau so angekündigt wird. Das Problem aber: Der erste Teil wurde in dieser Zusammenstellung völlig vergessen. Ein peinlicher Fehler, man stelle sich vor, man kauft sich die neue Staffel von "Game of Thrones" auf DVD oder Blu-ray, nur um dann festzustellen, dass die erste Folge fehlt. Immerhin: Die Fans, die sich per Mail beschwerten, bekamen Kopien des ersten Teils zugesendet. Die richtige Reaktion, aber die falsche Kommunikation. Denn auch hier hat Ehapa wieder nur defensiv agiert, den Fehler weder öffentlich erklärt noch sich dafür entschuldigt. Und im Egmont-Shop findet sich bis heute kein Hinweis darauf, dass der erste Teil fehlt. Der Band wird also noch immer mit dem irreführenden Titelbild verkauft.

Nicht ganz so tragisch, aber zumindest für Komplettsammler ärgerlich ist der umgekehrte Fall: Manchmal wird ein und derselbe Comic binnen kurzer Zeit in zwei unterschiedlichen Reihen abgedruckt. Das liegt daran, dass der Kiosk- und der Buchhandelsbereich (die "Egmont Comic Collection") im Prinzip zwei verschiedene Verlage sind und getrennt voneinander arbeiten (wenngleich sie mittlerweile im selben Haus ansässig sind). Beispielsweise wurde Ende Februar die Geschichte "Und dann kam Dolly!" in LTB 517 abgedruckt, keine zwei Wochen später landete sie unter dem Titel "Hallo, Dolly!" im Band "Der Stammbaum der Ducks". Solche Missgeschicke, die durch mangelnde Kommunikation im eigenen Haus entstehen (anderes Beispiel: Figuren, die je nach Übersetzer verschiedene deutsche Namen haben), sind vielleicht im Einzelnen nicht immer zu vermeiden, in der Häufung aber für Sammler frustrierend. Und auch in finanzieller Hinsicht ist so etwas nicht ideal, da die Geschichte doppelt übersetzt werden musste. Solche Fehler werden in den Fan-Foren manchmal von Redakteuren bzw. Übersetzern wie Jano Rohleder oder Gerd Syllwasschy kommentiert bzw. erklärt. Leuten wie ihnen merkt man die Expertise in Sachen Disney-Comics an, sie sind allerdings nicht fest bei Ehapa angestellt, sondern posten als Privatpersonen. Für die Außendarstellung des Verlags sind sie nicht zuständig, aber seit sich auch Global Creative Direktor Peter Höpfner weitgehend aus dem Dialog mit den Fans zurückgezogen hat, mangelt es an einem Ansprechpartner.
These 4: Auch Ehapas analoge Angebote sind mangelhaft



Fazit: Ehapas Außendarstellung könnte sich als fatal erweisen.
Von Manuel Schumann (313er), Oktober 2019
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Zuletzt aktualisiert: 20.10.2019, 17:19