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Interview mit Christian Eisert

Nach der positiven Resonanz zum Pseudo-Ratgeber "Finde Deine Innere Ente" (2018, hier unsere Rezension) erschien Ende 2019 die Fortsetzung "Entlich glücklich", in der den Leserinnen und Lesern anhand verschiedener Entenhausener sieben "Erfolgsstrategien für Pechvögel und Glücksritter" an die Seite gestellt werden. Wiederholt steuerte Comedy-Coach Christian Eisert (*1976) bissige und humorvolle Texte bei, stellte Entenhausener Vorbilder vor und erläuterte praktische Praxistipps. Ein Hochgenuss nicht nur für sprachbegeisterte Disney-Fans!
Als Christian Eisert via Twitter auf uns aufmerksam wurde, nutzten wir die Gelegenheit, ihn mit einigen Fragen zu löchern. In dem Interview äußert sich der Experte unter anderem über den Humor in Disney-Comics und spricht über die gute Zusammenarbeit mit Egmont Ehapa. Aber lest selbst!
Geschichten: 12
Comic-Seiten: 160
Format: 210mm x 148mm (Softcover)
Erscheinungsdatum: 05.12.2019
Preis: 20,00 EUR
Redaktioneller Teil: Christian Eisert
ISBN: 978-3-7704-4063-4
1) Du hast einige praktische Praxistipps in den Ratgeber-Parodien "Finde Deine innere Ente" und "Entlich glücklich" zusammengetragen. Warum sind Ratgeber so im Trend? Hast du selbst schon einen Ratgeber gelesen (wenn ja, in welchem Bereich)?
Ratgeber werden gelesen, seit Menschen schreiben. Auch die Bibel hatte ja Ratgeberfunktion. Heute zielen Ratgeber vermehrt auf Persönlichkeitsverbesserung ab (gerne mit möglichst pseudowissenschaftlichen Wortgeschwurbel). Da wird dann von "Life-Coaching", "Empower yourself" oder "Selbstoptimierung" gesprochen. Und genau auf diese Überhöhung und das Aufblasen manch simpler Lebensweisheiten zielen meine Parodien ab. Gleichzeitig haben alle diese Ratgeber einen ernsten Kern, so wie meine Parodien.
Ich selbst lese selten Ratgeberbücher, falle aber gerne auf Clickbait-Artikel herein wie: "Diese 7 Geschirrspüler-Hacks muss jeder kennen" oder "So parkst du in 2 Sekunden ein – sogar ohne Auto".

2) Liest du selbst ab und zu noch Disney-Comics?
Dass ich jeden Monat das neue LTB hole, die Zeiten sind vorbei. Aber ich kaufe immer mal wieder einen ausgewählten Band oder bekomme Empfehlungen. Zudem besitze ich ja eine mehrere Meter lange Disney-Comic-Sammlung. Regelmäßig greife ich da ein LTB heraus und schmökere. Besonders die frühen Ausgaben, so etwa von Nr. 40 bis 90, mag ich sehr und lese sie immer wieder.

3) Als Comedy-Coach bist du ein Fachmann für Humor und Gags. Was zeichnet den Humor in Disney-Comics aus? Was macht einen Comic "witzig"?
Der Humor in Disney-Comics findet ja vor allem auf drei Ebenen statt. Er entsteht erstens aus den Grundkonflikten der Charaktere. Also wenn z. B. der geizige Dagobert durch aberwitzige Maßnahmen versucht, kein Geld auszugeben, oder bei Donald, bei dem Selbst- und Fremdbild häufig weit auseinander liegen. Der Humor entsteht zweitens durch einfallsreiche Plots: Dagobert holt beispielsweise einen Eisberg vom Nordpol, um ein sommerliches Winterparadies vor Entenhausens Küste anzulegen oder Goofy findet auf dem Speicher ein Erbstück seines Ur-Ur-Ahns, das sein und Mickys Leben aus den Fugen reißt. Und uns erheitert drittens natürlich die Bildebene, angefangen bei den inzwischen ikonischen Figuren an sich, über situationsbezogene Mimik und Gestik bis hin zu klassischen Bildgags, die ohne Worte funktionieren. Stichwort Coverbilder.

4) Leben die Comics aus Entenhausen von Running-Gags?
Langlaufende Reihen und Figuren leben von Running-Gags. Das bindet die Leserschaft, macht einzigartig und wiedererkennbar. Das kennen wir ja auch aus dem Asterix-Universum.

5) Entenhausen ist überall. Begleitet dich Entenhausen auch in deine Seminare hinein?
In meinen Comedy-Workshops habe ich meines Wissens noch nicht Bezug auf Entenhausen genommen und merke gerade, dass das ein großes Versäumnis ist! Das werde ich ändern.
Fun Fact: Zwei meiner Dozenten-Kollegen an einer Berliner Drehbuchschule, an der ich regelmäßig lehre, sind nicht nur wie ich im Drehbuchgeschäft aktiv, sondern schreiben auch Geschichten für Disney.

6) Entenhausen fungiert oft als Spiegelbild unserer Gesellschaft. In den fantasievollen Comics ist viel Unmögliches möglich, dafür gibt es aber auch viele Tabus (Gewaltkriminalität, Alkohol, Tod). Gleicht sich dieses Verhältnis deiner Meinung nach aus?
Dass Entenhausen unsere Gesellschaft widerspiegelt, da gehe ich sofort mit. Das sehen wir auf dem Gebiet der Technik (Entwicklung Telefon, Fax, Handy), bei den Themen (es wird ja erstaunlich oft und seit Jahrzehnten Umweltschutz behandelt und auch im Verhältnis zu Profitgier und Konsumverhalten betrachtet). Mord und Tod werden vielleicht nicht gezeigt, aber es wird sich regelmäßig geprügelt, es wird überfallen und geraubt, betrogen und gehasst. Bedroht vom Tod sind die Helden bei ihren Abenteuern ebenso regelmäßig. Ja, mir kam sogar kürzlich in einer alten Ausgabe (DD? LTB?) eine Geschichte unter, in der Dagobert sturzbetrunken war. Gekokst und gekifft wird allerdings meines Wissens nicht. Find ich gut. Den einzig echten blinden Fleck hat Entenhausen in punkto Sex.

7) Wie ist Egmont auf dich aufmerksam geworden und wie war deine Reaktion?
Zu Egmont kam ich durch einen glücklichen Zufall. Ein ehemaliger Teilnehmer eines meiner Comedy-Seminare und selbst erfolgreicher Autor war ursprünglich gefragt worden, ob er ein Buch mit dem Thema "Finde deine innere Ente" schreiben möchte. Disney war aber nicht so seine Leidenschaft und so fragte er mich und gab mir den Kontakt beim Verlag. Dem schrieb ich begeistert eine E-Mail. Die blieb eine Woche lang unbeantwortet. Ich dachte schon, vielleicht hätte ich nicht im ersten Satz schreiben sollen: "Ein Traum geht für mich in Erfüllung". Denn schon vor der Einschulung besaß ich LTBs, die die Westverwandtschaft bei uns gelassen hatte und die ich mir vorlesen ließ. Später schmuggelte mein Opa Hefte und Taschenbücher über die Grenzen in den Osten und als Jugendlicher zeichnete ich selbst Micky- und Donald-Geschichten. Nun also diese Anfrage. Ein Traum! Nach einer Woche hakte ich zart nach und ab da begann unsere erfolgreiche Zusammenarbeit.

8) Hat dir der Verlag viele Vorgaben hinsichtlich der redaktionellen Texte gegeben oder hier und da freie Hand gelassen? Wie war die Zusammenarbeit?
Bei "Finde deine innere Ente" gab es den Titel als Vorgabe vom Verlag und den Wunsch, einen parodistischen Ratgeber zu machen. Ansonsten hatte ich redaktionell freie Hand. Den Titel "Entlich glücklich" schlug ich vor; die Form, das war ja klar, sollte in eine ähnliche Richtung wie der Vorgänger gehen.
Im Weiteren entwarf ich die Kapitelstruktur und schickte sie dem zuständigen Redakteur Fabian Gross. Dann sprachen wir darüber. In der Ausgestaltung der Kapitel war ich völlig frei. Parallel dazu suchten wir beide die passenden Comics heraus, so dass diese etwa zur Hälfte auf Vorschlägen von mir und dem Verlag beruhen. Abschließend gab es ein Feedback mit wenigen, aber wenn, klugen Anmerkungen. Insgesamt muss ich sagen, habe ich selten eine so konstruktive und entspannte Zusammenarbeit erlebt wie mit Egmont, insbesondere mit Fabian Gross. Da freue ich mich auf weitere Projekte.

Der Inhalt:
Titel Autor (A), Zeichner (Z), Übersetzer (Ü) EV-Jahr Seiten Nachdruck aus
Sachen machen:
Wettangeln am Wimmelsee A + Z: William Van Horn; Ü: Peter Daibenzeiher 1998 10 MM 35/99, TGDDSH 306
Goldrausch A: Bob Shaw & Dave Angus; Z: Vlado Magdic 1987 5 MM 35/87
Entbehren ehren:
Ferien vom Ich A: Jerry Siegel; Z: Giuseppe Perego; Ü: Gudrun Penndorf 1975 30 LTB 111
Bereuen scheuen:
Erntesegen A + Z: Carl Barks; Ü: Erika Fuchs 1957 10 u.a. MM 35/58, TGDDSH 22
Mehr Glück als Unverstand A: Jan Kruse; Z: Bas Heymans; Ü: Marc Moßbrugger 1996 9 MM 10/09
Imaginieren probieren:
Kater Karlo denkt an alles A: Rudy Salvagnini; Z: Julian Jordan; Ü: Gudrun Smed 1995 32 DD 489, LTBSP 11
Deppen mitschleppen:
Verräterischer Apfelsaft A: Gian Giacomo Dalmasso; Z: Giulio Chierchini; Ü: Alexandra Ardelt 1975 29 LTB 65
Toben proben:
Der unglaubliche Dulk A: Pat & Carol McGreal; Z: Vicar; Ü: Michael Bregel 2005 12 MM 42/05
Wut tut gut A: Don Markstein; Z: José Maria Manrique; Ü: Michael Bregel 2005 6 MM 44/05
Luftmassen ranlassen:
Ein verregneter Fall A: Bruno Concina; Z: Nicola Tosolini 2005 15 LTB 319, LTBSE 3/14, LTBUL 28
Miss Daisy und ihr Chauffeur A: Rob Klein; Z: Juan Torres Perez 1992 1 MM 01/93
Cabrio Marke Eigenbau A: Jim Kenner; Z: Antoni Gil-Bao 1977 1 MM 16/77, MM 47/89


9) Wie lange hast du recherchiert, um dir das psychologische Fachwissen anzueignen?
Grundsätzlich lese ich viel über Zwischenmenschliches und neue psychologische Erkenntnisse. Zudem schrieb ich parallel an meinem Buch "Anpfiff zur zweiten Halbzeit", in dem ich unterhaltsam das Thema "Älterwerden bei Männern" thematisiere. In diesem Zusammenhang las ich verstärkt Fachliteratur und letztlich erfordert Schreiben und Humor sehr viel Menschenbeobachtung. So konnte ich auf eine breite Basis zurückgreifen.

10) Welche Autoren und Zeichner schätzt du am meisten?
Meine Lieblingszeichner: Sergio Asteriti, Massimo De Vita, Giorgio Cavazzano. Man mag mich steinigen: Carl Barks schätze ich als Autor sehr, als Zeichner weniger. Hierin zeigt sich auch, dass wir uns meist zu sehr auf die – sicher präsenteren – Zeichner konzentrieren, dabei bilden die Autoren die Basis für alles und so sei stellvertretend für gute Autoren Guido Martina genannt (u.a. "Die Ducks … vom Winde verweht", LTB 117).

11) Ausgerechnet Daniel Düsentrieb, der wohl zufriedenste Entenhausener, hat in "Entlich glücklich" kein eigenes Kapitel bekommen. Warum? Ist das Erfindergenie etwa kein Vorbild zum Glücklichsein?
Daniel Düsentrieb ist mit Sicherheit einer der ausgeglichensten Charaktere in Entenhausen und in der Entwicklungsphase von "Entlich glücklich" hatte ich ihn in meiner Auswahl. Letztlich wollte ich mich auf 7 (Glückszahl) Vorbilder beschränken und er schied aus. Pluto, Klaas Klever, Daisy oder Minni tauchen dann vielleicht im nächsten Ratgeber auf. Viel zu erzählen von Erfolg, Glück und Leben lässt sich anhand von Entenhausen auf jeden Fall noch.

12) Wir haben nun gelernt, wie man "gelassen" und wie man "glücklich" wird. Gibt es schon Pläne darüber, wie man "erfolgreich" wird?
Ich habe kürzlich ein Buch entworfen, in dem es um Geheimnisse geht. Wichtigste Regel: Nicht zu früh zu viel verraten. ;)



Vielen Dank für das Interview, Herr Eisert!

Fragen von Entenfan (mit freundlicher Unterstützung von 313er und FAB), Februar 2020





Zuletzt aktualisiert: 21.02.2020, 14:20
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