Rezension: Finde Deine Innere Ente

Geschichten: 12
Comic-Seiten: 165
Format: 210mm x 148mm (Softcover)
Erscheinungsdatum: 04.04.2018
Preis: 20,00 EUR
Redaktioneller Teil: Christian Eisert
ISBN: 978-3-7704-3981-2
Anmerkung: Diese Rezension ist HIER auch als Video-Rezension verfügbar!
Stöbert man aus Neugierde durch die Bestseller-Listen in der Rubrik Sachbuch, wird man mittlerweile von der unglaublichen Fülle an sogenannten "Life-Coaches" erschlagen. Was man sich darunter vorstellen kann, ist mindestens ebenso vielfältig wie die Auswahl vorm Bücherregal selbst! Früher nannte man dieses Genre "Ratgeber" – heute gibt es praktisch zu jedem Thema einen eigenen Lifestyle-Coach! Die Autorinnen und Autoren geben dabei nicht nur Rat, wie man gesund und sportlich wird oder wie am besten die zusätzlichen Pfunde purzeln. Nein, man bekommt auch gleich noch auf den Weg, wie man "glücklich" wird, wie man "nur durch pure Gedankenkraft schon in sieben Tagen ein schönes, stressfreies Leben führen kann" (!) – und natürlich, wie man in Nullkommanix seine "Innere Mitte" findet. Vor kurzem hat auch die Egmont-Comic-Collection ihren ersten Life-Coach herausgebracht, präsentiert diesen gar als "allumfassende Ultimativlösung" aus der Welt um Entenhausen und fordert den Leser ungeniert auf: Finde deine Innere Ente!
In den letzten Jahren zeigte sich die ECC für mein Empfinden ausgesprochen kreativ, was ihre Disney-Bände angeht. Man greift im Comicladen des Vertrauens nicht mehr nur zu den ewig gleichen Jubiläumsbänden, sondern darf sich durch ein breites Repertoire an verschiedensten Publikationen und neuen Reihen schmökern. Am auffälligsten dürfte dabei der Band "Finde Deine Innere Ente" für Liebhaber des bekanntesten Erpels der Welt sein. Glaubt ihr nicht? Doch!
Worum geht es also in diesem Buch? Wird man darin – sagen wir mal – die esoterisch angehauchten, medizinisch fragwürdigen und für den Laien eher unbegreiflichen Tipps der anderen Life-Coaches finden, die einen schlussendlich zu einem besseren Menschen machen sollen? Antwort: Nein. Es geht schließlich um Comicgeschichten aus Entenhausen, in denen ausschließlich Donald Duck und seine typischen Charaktereigenschaften im Vordergrund stehen. Klingt langweilig? Nö.

An dieser Stelle komme ich nicht umhin, den für die redaktionellen Teile verantwortlichen Autor für seine großartigen Texten zu loben: Christian Eisert hat mit seinen lustigen, liebenswerten und lebensnahen Essays dazu beigetragen, dass "Finde Deine Innere Ente" immens von den Vorbemerkungen profitiert. Die Sicht als relativ außenstehender Comicliebhaber, der in seiner Kindheit den Abenteuern von Donald, Micky & Co. beiwohnte und Entenhausen bis heute im Herzen trägt, gefällt mir persönlich deutlich besser als die gewohnte staubtrockene, öde Geschichtsstunde anderer Verantwortlichen für die redaktionellen Texte.
Den Namen Christian Eisert hat der eine oder andere sicherlich schon einmal gehört. Der Berliner ist nicht nur Autor von humorvollen Sachbüchern wie "Kim und Struppi - Ferien in Nordkorea" (2014) oder "Fun-Man - Mission: Lachen lernen in Deutschland" (2011) (beide urkomisch und absolut empfehlenswert!), sondern lehrt als Comedy-Coach an verschiedenen Instituten das Handwerk des humorvollen Schreibens. Außerdem ist er Gag-Schreiber für zahlreiche TV-Formate. Cooler Typ!
Im Vorwort schildert Eisert zunächst, wie er als ein in Ostberlin aufgewachsener Junge erste Erfahrungen mit "westlichen" Disney-Comics machte, was die Vielfältigkeit dieser Geschichten (mit Parodien, Literatur- und Filmadaptionen) bis heute ausmacht und wie absurd es war bzw. ist, diese Comics als "Schund" abzustempeln. Schon nach dieser spaßigen, unglaublich sympathischen Einleitung wollte ich unbedingt weiterlesen, was "Finde Deine Innere Ente" zu bieten hat! Übertreibe ich ein wenig? Vielleicht.
Wie schon erwähnt enthält jedes Kapitel zwei Geschichten, welche Sprechblase für Sprechblase darstellen, wie verschieden und gegensätzlich es zum Teil im Duck’schen Hormonhaushalt zugeht. Christian Eisert bezeichnet diesen Umstand als "Duck’schen Dualismus" und führt diesen Gedanken wie einen roten Faden durch den gesamten Band. Jeder Text beginnt mit einem bemerkenswerten Zitat einer historischen Persönlichkeit, welches Eisert zum Anlass nimmt, überhaupt über Charakteristika und Eigenarten des Menschen nachzudenken. Es folgt eine knappe Problemstellung mit Bezügen aus dem Entenhausener Kosmos. Anschließend wird stets die "Ultimative Universallösung" erläutert – natürlich mit viel Spaß und einem Augenzwinkern. Mein persönliches Highlight bleiben aber die beiden Reime zu den Wesenszügen unter dem Stichwort "Die Kraft der inneren Ente". Beispiel gefälligst? – "Scham kann dich vor Unfug schützen! Nach Unfug wird Scham dir nichts mehr nützen!". Das finale "Beispiel aus der Welt der Beispiele" ist dagegen ein Krampf zu lesen.
Der Inhalt: | |||||
Titel | Autor (A), Zeichner (Z), Übersetzer (Ü) | EV-Jahr | Seiten | Nachdruck aus | |
Zorn und Zähmung: | |||||
Blinde Wut tut selten gut | A + Z: William Van Horn; Ü: Peter Daibenzeiher | 1997 | 10 | MM 22/97, TGDD 259 | |
Die innere Stimme | A: Gorm Transgaard; Z: Vicar | 1995 | 12 | MM 41/95 | |
Fleiß und Faulheit: | |||||
Kein Meister fällt vom Himmel | A + Z: Carl Barks; Ü: Erika Fuchs | 1958 | 10 | u. a. MM 10/59 | |
Fit durch Faulheit | A: Olaf Moriarty Solstrand; Z: Wanda Gattino; Ü: Fabian Schönberger | 2014 | 10 | MMC 22, MM Genial 2/16 | |
Scham und Stolz: | |||||
Im Dienste der Schönheit | A: Per Wiking & Tom Anderson; Z: Daniel Branca | 1984 | 7 | MM 7/84, MM 26/99 | |
Rettet den Rektor | A: Charlie Martin; Z: Vicar | 1997 | 12 | MM 2/97 | |
Ruhe und Raserei: | |||||
Ruhe ist ein hartes Geschäft | A + Z: William Van Horn; Ü: Peter Daibenzeiher | 1993 | 10 | MM 23/93, NAD 6, TGDD 233 | |
Ein entspannendes Hobby | A: Giorgio Pezzin; Z: Franco Valussi | 1992 | 34 | LTB 182 | |
Hass und Hingabe: | |||||
Der dritte Nachbar | A: Gorm Transgaard; Z: Marçal; Ü: Michael Nagula | 1999 | 10 | MM 9/00 | |
Menschen im Hotel | A: Per Hedman; Z: Wanda Gattino; Ü: Reinhard Schweizer | 2005 | 12 | MM 34/05 | |
Frust und Frieden: | |||||
Der Aussteiger | A: Bob Bartholomew; Z: Vicar | 1986 | 10 | MM 21/86 | |
Das beste aller Leben | A: Fabio Michelini; Z: Paolo Ongaro; Ü: Gudrun Smed | 1989 | 28 | OD 50, DDCO 35 |

Man kann auch über das Format nörgeln und kritisieren, dass es sich um eine Softcover-Ausgabe handelt. Diesen Leuten entgegne ich: Damit man "Finde Deine Innere Ente" schnell in der S-Bahn aus der Tasche ziehen und schmökern kann. Nicht umsonst haben die großformatigen Hardcover-Ausgaben unlängst die Bezeichnung "Ziegelsteinbände" verpasst bekommen...
Bleibt mir als Fazit noch viel zu sagen? Ich glaube nicht. "Finde Deine Innere Ente" ist eine der innovativsten ECC-Publikationen der letzten Jahre und funktioniert (nicht zuletzt durch die Beiträge des genialen Christian Eisert) unglaublich gut als Parodie auf die unzähligen Lifestyle-Coaches. Allein die Beherzigung der Grundformel "Nimm's mit Humor" trägt in meinen Augen dazu bei, im Alltag gelassener zu agieren bzw. zu reagieren. Das "Donald-Prinzip" hat ohne Zweifel Hand und Fuß, so blöd sich das anhören mag! In allen von uns steckt eben ein kleiner Donald. Man muss die Ente nur finden.
Oh, und vergesst nie: Wer hinfällt, liegt nicht am Boden, er steht nur sehr breitflächig.
Von Entenfan, Juli 2018
Zuletzt aktualisiert: 07.08.2018, 19:37