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Micky Epic
Vom Videospiel zum Comic – Eine epische Reise in Mickys Vergangenheit

Das Cover des Comics
Das Videospiel "Micky Epic" erschien im Jahr 2010 für die Nintendo Wii und ließ die Herzen all jener höher schlagen, die mit der klassischen Micky Maus aufgewachsen sind. Wer vertraut war mit den Ursprüngen der Figur mit den beiden großen, runden Ohren konnte in "Micky Epic" eine wundersame Reise in Mickys Vergangenheit unternehmen und dort auf Oswald, den glücklichen Hasen, treffen. Der "große Bruder" von Micky Maus lebt in der fantastischen Welt von Wasteland, wo längst vergessene Disney-Figuren ihr Dasein fristen. Gemeinsam müssen Micky und Oswald dem Wasteland, welches von den dunklen Machenschaften des Phantoms bedroht wird, wieder zu neuem Glanz verhelfen. Ein halbes Jahr später erschien der Comic zum Spiel in einem Band aus der ECC. Ein gelungenes Experiment?

Idee & Konzept: Zwischen Erinnerungen und Erwachsenwerden

Viele Menschen auf der ganzen Welt sind mit der Figur Micky Maus aufgewachsen. Die niedliche Maus erfreute sich seit ihrem ersten Auftritt im Cartoonklassiker "Steamboat Willie" aus dem Jahr 1928 großer Beliebtheit. Bei den zahlreichen Erfolgen in der Filmbranche blieb es nicht, als Micky den Weg von der Leinwand in die Comicstrips der Zeitungen machte. Künstler wie Floyd Gottfredson schufen die Grundlage dafür, dass die Geschichten um Micky Maus und seine Freunde bis heute in verschiedensten Publikationen weltweit abgedruckt werden.

Längst vergessen sind dagegen die Ursprünge der Maus mit der roten Hose, die Mitte der Zwanzigerjahre den Zeichentrickfilm-Macher Walt Disney fast in den Ruin trieben. Dieser erfand mit seinem Studio 1927 im Auftrag für den Giganten Universal Pictures die Figur "Oswald, der glückliche Hase". Der Hase mit der blauen Hose kam gut an beim Publikum und war demzufolge nicht grundlos Hauptdarsteller in 24 Kurzfilmen bis 1928. Mit den steigenden Preisen für die hohe Qualität der Filme – insbesondere die liebevollen Animationen und die Vertonung – benötigte Walt Disney ein größeres Budget für deren Herstellung. Es kam zum Streit mit den verantwortlichen Produzenten und Walt Disney ging aus diesem als Verlierer heraus: Die Filme wurden von nun an von einem anderen (weniger erfolgreichen) Studio produziert und er selbst verlor enge Mitarbeiter, die an der Entwicklung von Oswald beteiligt waren. Aus dieser dunklen Stunde in der Erfolgsgeschichte von Walt Disney ging kurze Zeit später eine neue Figur hervor: Micky Maus.


Mickys größtes Videospiel-Abenteuer

Dem verantwortlichen Entwickler von "Micky Epic", Warren Spector, ging es bei der Idee hinter dem Spiel zunächst um das von Missgunst geprägte Verhältnis zwischen Oswald und Micky. Oswald gibt Micky die Schuld dafür, dass er in den Hintergrund gerückt und vergessen wurde. Gleichzeitig kam aber auch Micky immer weniger gut an bei den neuen Generationen: Als besserwisserische Nervensäge, die kindlich-naiv durch ihre eigene Comicwelt tapst. Die "Kurzhosenmaus" markiert den Tiefpunkt des Charakters. Stattdessen wurden Projekte wie "Cars", "Toy Story" und "Die Monster-AG" zum Aushängeschild von Disney. Die Fans von damals und auch deren Kinder und Kindeskinder sind langsam erwachsen geworden.

Warren Spector ist selbst Fan der Cartoon-Klassiker von Micky und Oswald
Micky benötigte dringend einen Erneuerungsprozess und ein besseres Image in der öffentlichen Wahrnehmung. Damit es Micky nicht genau wie Oswald ergeht, stellte Warren Spector, der schon seit 2004 Ideen sammelte, sein Spielkonzept Anfang 2009 den beteiligten Konzernen Disney Feature Animation und Pixar vor. Diese gewährten ihm glücklicherweise freie Hand bei der Neuinterpretation von Micky Maus für neue Zielgruppen. Nachdem erste Screenshots im Internet kursierten, wurde das Spiel bei der Messe E3 2010 offiziell vorgestellt und war als Demoversion spielbar. Ende November erschien "Micky Epic" in Nordamerika, Europa und Australien und verkaufte sich im ersten Monat über eine Million Mal. An einer Verfilmung war Disney laut Aussage von Spector allerdings nicht interessiert.

Figuren & Handlung: Zwischen Konkurrenz und Kooperation

Im Mittelpunkt von "Micky Epic" stehen Micky Maus und Oswald, der glückliche Hase. Die Spielfigur Micky wird gesteuert, nach einem kurzen Einstieg trifft man dann zum ersten Mal auf Oswald.

Micky als sich selbst überschätzender Zauberlehrling? Das weckt Erinnerungen...
Das Spiel beginnt mit dem jungen Micky Maus, der zufällig durch einen magischen Spiegel die Welt des Zauberers Yen Sid betritt. Als der Magier den Raum verlässt, schwingt Micky auf der Miniaturwelt von Yen Sid dessen Zauberpinsel und sorgt mit viel Verdünner für ein unschönes Chaos: Aus der unheilvollen Mischung von Farbe und Verdünner erschafft Micky Maus versehentlich das furchteinflößende Phantom! Micky nimmt Reißaus und kann durch den Spiegel zurück in seine Welt entkommen. Doch eines Nachts kommt das Phantom zurück und zieht die ängstliche Maus in seine düsteren Fänge…
Die Maus mit den runden Ohren findet sich wenig später in der geheimnisvollen Welt von "Wasteland" wieder, kann um Haaresbreite dem Verrückten Doktor entkommen und macht Bekanntschaft mit Gus, dem Gremlin. Der technikbegeisterte Kobold führt Micky durch Wasteland, dem Ort, an dem alte und vergessene Disney-Figuren friedlich beisammen eben. Nur ist es mit dem Frieden vorbei, seit das Phantom sein Unwesen in Wasteland treibt und Unterstützung vom Verrückten Doktor bekommt! Micky und Gus reisen über die Meanstreet, wo sie auf Rudi Ross und Klarabella Kuh treffen, zum "Micky-Müllberg". Dort lernt Micky Maus endlich Oswald und dessen traurige Lebensgeschichte kennen. Bei einem Verdünner-Angriff des Phantoms auf Oswald wurde dessen Freundin Ortensia in Stein verwandelt!
Micky und Oswald erkennen, dass sie zusammenarbeiten müssen, um Ortensia und ganz Wasteland zu retten. Eine abenteuerliche Reise beginnt, bei der Micky sowohl alten als auch neuen Bekannten begegnet. Bei der Suche nach den verlorenen Raketenteilen ist Mickys magischer Pinsel von großer Hilfe…


Vorsichtige Schritte in eine andere Welt

Spielmechanik & Aufmachung: Zwischen Erschaffen und Zerstören

Das Gameplay von "Micky Epic" fußt auf den vielschichtigen Spielmechaniken der Entwicklerlegende Warren Spector, der den Spielern bei Rätseln immer verschiedene Lösungsmöglichkeiten anbieten möchte. So auch in diesem Spiel, in dem sich Micky Maus die Fähigkeiten des Zauberpinsels zunutze macht! Denn der Pinsel versetzt Micky in die Lage, Objekte mit Farbe anzumalen und damit sichtbar zu erschaffen. Im Gegensatz dazu ermöglicht der eklige Verdünner, Gegenstände aufzulösen. Diese einfachen, aber genialen Praktiken bieten enormes Potenzial für interessantes Leveldesign!

Die blaue Farbe nutzt die Maus beispielsweise dazu, um Häuser zu restaurieren oder Plattformen zu erschaffen. Risse in Dampfleitungen können ebenso geschlossen werden wie Stromkreise und vieles mehr. Dagegen überwindet Micky spielerisch seine Hindernisse, wenn er diese im Handumdrehen auflöst und sich zuvor versperrte Wege eröffnet.


Micky erkundet den Schlupfwinkel von Käpt'n Hooks Piraten

Auch vor den feindlichen Monstern und den Schergen des Phantoms machen die Auswirkungen des magischen Pinsels nicht halt: Micky kann sie mit dem Verdünner rabiat besiegen oder mit Farbe zu seinen Freunden "bekehren". Je nachdem, wie der Spieler sich entscheidet, wirkt er auf die Spiele-Umgebung ein und beeinflusst das spektakuläre Ende – zum Guten oder zum Schlechten.

Positive Resonanz erzeugten die 2D-Abschnitte in "Micky Epic", das eine Mischung aus Jump 'n' Run, Action-Adventure und Rollenspiel ist. Als Verbindungstunnel zwischen den einzelnen 3D-Bereichen fungieren alte Cartoons von Micky oder Oswald, die zu dynamischen Platforming-Leveln umgebaut wurden. Zu putziger Retro-Mucke rennt und hüpft Micky durch Erlebnisse der Vergangenheit: Eine gelungene Abwechslung für die Fans der filmhistorischen Klassiker!


Micky spaziert über "Steamboat Willie"

In verzwickten Bosskämpfen muss man sich Endgegnern wie dem Uhrenturm (bekannt aus dem Disneyland Paris) oder Karlotronic stellen. Zahlreiche Nebenaufgaben der Bewohner des Wastelandes bieten Gelegenheit für stundenlanges Daddeln. So kann man zum Beispiel dafür sorgen, die mechanischen "Animatronics" von Goofy, Donald und Daisy wieder zusammenzusetzen. Zu sammeln gibt es für eifrige Komplettierer auch genug: Im Spiel sind 36 Filmrollen, 105 Anstecker in Gold, Silber und Bronze sowie Tickets versteckt. Wer genug findet, kann sich über geheime Levels, Konzeptzeichnungen und weitere Trickfilme freuen.

Das Comicbuch: Zwischen Bild und Text

Das Videospiel "Micky Epic" wurde am 26. November 2010 für die Nintendo Wii veröffentlicht und kam gut bei Spielern, Testern und Kritikern an. Gelobt wurden neben der epischen Story die tollen Animationen und die facettenreichen Gameplay-Elemente.
Am 8. April 2011 kam das dazugehörige Comicbuch auf den Markt. Die Ehapa Comic Collection verlegte das Album, das unter der Führung der Entwickler des Videospiels entstand. Immerhin 64 Seiten füllt das Abenteuer von Micky und Oswald, das für Spieler des Videogames ein Pflichtkauf war.
Als Autor stand Peter David bereit, der auch für die Comic-Adaption von Stephen Kings "Der dunkle Turm" verantwortlich war und einige Star-Trek-Romane verfasste. Unterstützung bekam er dabei von den italienischen Zeichnertalenten Paolo Mottura und Fabio Celoni, die die Figuren und das gespenstische Wasteland gekonnt in Szene setzten. Die fantastische Kolorierung verdanken wir Giuseppe Fontana und Massimo Rocca. Die Illustration für das Titelbild steuerte niemand geringeres als Noel van Horn bei und Arne Voigtmann sorgte für eine gelungene Übersetzung ins Deutsche.


Die originalen Filmplakate wurden geschickt eingearbeitet


Micky kann sich an Klarabella partout nicht erinnern, dafür aber an Minnie
Der Comic erzählt im Grunde die Handlung des Videospiels nach. Verständlicherweise beschränkt er sich dabei auf die Kernelemente und beleuchtet verstärkt das fulminante Intro und das Finale mit Micky, Oswald, Gus und dem Phantom der Schatten (welches übrigens nichts mit dem Schwarzen Phantom alias Plattnase zu tun hat). Die verschiedenen Etappen in der Mitte werden nur kurz benannt oder tauchen erst gar nicht auf. Sicherlich war es auch unmöglich, alles auf knapp 60 Seiten zu Papier zu bringen. Insbesondere die verzwickte Suche nach den benötigten Raketenteilen taucht im Comic nur in komprimierter Form auf. Das ist vor allem schade, weil in diesen Episoden auch andere Disney-Charaktere wie Käpt’n Hook auftreten und im Spiel viel mehr zu Geltung kommen können.

Die Zeichnungen von Mottura und Celoni fangen die bedrückende Atmosphäre im Wasteland hervorragend ein. Die richtige Mischung aus Licht- und Schatteneffekten lässt die trostlose Welt voller glibberiger Monster – halb Verdünner, halb Roboter – in einer beklemmenden Aura aus stinkendem Unrat und abgewrackter Technik erscheinen.

Bei der Mimik der Figuren haben sich Mottura und Celoni eng an den Vorgaben des Videospiels und der Cartoons orientiert. Jedoch gelingt es ihnen nicht, sie so lebendig und emotional ergriffen darzustellen wie in den Animationen der Zwischensequenzen im Spiel. Das liegt vor allen Dingen daran, dass der Comic sehr textlastig ist, viel erklären muss und die Dialoge zwischen Micky und Oswald die Handlung voranbringen müssen, wogegen im Konsolenspiel der Spieler selbst den Plot durch seine Interaktion mit der Spiele-Umgebung voranbringt. Der Humor von Charakteren wie Gus bleibt trotz der zahlreichen Wortspiele etwas auf der Strecke.

Alles in allem ist der Comic zu "Micky Epic" eine tolle Ergänzung in beiderlei Hinsicht: Leser, die das Spiel nicht gespielt haben, werden von der Geschichte in deren Bann gezogen und kaufen sich das dazugehörige Videospiel vielleicht eines Tages. Andererseits werden die Gamer darauf aufmerksam gemacht, dass es doch noch Comicbücher rund um Micky Maus gibt und diese mittlerweile in einem modernen Look daherkommen können.

Die US-amerikanische Leserschaft bekam mit "Micky Epic – Tales of Wasteland" weitere Kurzgeschichten aus dem Micky-Epic-Universum spendiert, die allesamt vor den Geschehnissen der Hauptgeschichte des Videospiels handeln. Die Geschichten von Peter David und Claudio Sciarrone konnten in digitaler Form von der Micky-Epic-App (iOS) heruntergeladen werden, die mittlerweile aber nicht mehr im App-Store verfügbar ist. Eine Veröffentlichung in Deutschland ist demzufolge nicht absehbar.

Die Fortsetzungen: "Die Macht der Zwei" und "Die Macht der Fantasie"


Micky und Oswald: Ein starkes Team!
Nach dem Erfolg von "Micky Epic" machte sich das Team um Warren Spector daran, eine Fortsetzung zu planen und Micky erneut in die Welt von Wasteland zu schicken. Allerdings stellt er sich der neuen Herausforderung nicht allein: Im zweiten Teil von "Micky Epic" wird die Maus von Oswald, dem glücklichen Hasen, begleitet und unterstützt!
Am 17. November 2012 erschien nach relativ kurzer Entwicklungsphase "Micky Epic 2: Die Macht der Zwei" für die Nintendo WiiU. Darin muss Oswald seinen neu gewonnenen Freund Micky Maus erneut um Hilfe bitten, als heftige Erdbeben Wasteland erschüttern. In ihrer Verzweiflung wenden sich die Bewohner an Micky, der dieses Abenteuer jetzt gemeinsam mit Oswald bestreitet. Bewaffnet mit dem magischen Pinsel von Micky und der reparierten Fernbedienung von Oswald setzen die beiden Freunde alles daran, die fiesen Pläne des Verrückten Doktors zu durchkreuzen. Dabei müssen sie ihre Fertigkeiten bündeln und zusammenarbeiten. Die ideale Grundlage für ein Multiplayer-Videospiel!

Sehr zum Leidwesen der hoffnungsvollen Fans des ersten Teils leidet auch die Fortsetzung unter den Kinderkrankheiten von "Micky Epic". Die schwammige Steuerung wurde vor allem bei Präzision erfordernden Sprungpassagen nicht verbessert und auch die Kamera tut sich schwer,

Mit Pinsel und Fernbedienung im Kampf gegen das Böse
sich um Objekte herumzubewegen und sich hinter dem Spielcharakter zu zentrieren. Positiv betrachtet wurden die gesprochenen Dialoge und die gelegentlichen Gesangseinlagen der Figuren. Allerdings bemängelten Spieler, dass Oswald zu sehr auf den Pinsel von Micky angewiesen ist, allein oft aufgeschmissen ist und sich die KI im Single-Player-Modus nicht gerade clever anstellt, wenn es auf Timing bei Sprüngen und Rätseln ankommt. An einer Graphic Novel für "Die Macht der Zwei" wird angeblich noch gearbeitet.

Als Spin-Off und exklusiv nur für Nintendo 3DS erschien taggleich "Micky Epic – Die Macht der Fantasie", welches von Dreamrift Studios produziert wurde. Es hat vom reinen Gameplay her nur wenig mit den beiden Heimkonsolen-Titeln zu tun, stattdessen erlebt Micky Maus ein charmantes 2D-Abenteuer im Retro-Look. Jedes Level basiert auf einem Disneyfilm. Dieses Mal versetzt die böse Hexe Mizrabel das Wasteland in Angst und Schrecken, denn sie ist auf der Jagd nach den guten Seelen der Disney-Charaktere. Als Mizrabel auch noch Minnie Maus entführt, muss Micky seinen ganzen Grips aufbringen, um seine Freundin aus dem
"Castle of Illusion" zu befreien.


Auch Onkel Dagobert hat ein paar kurze Auftritte in "Die Macht der Fantasie"

Ohne an dieser Stelle weiter auf die Gründe einzugehen: Beide Spiele verkauften sich miserabel und konnten im direkten Vergleich zum ersten "Micky Epic" nicht hundertprozentig überzeugen. Obwohl beide Fortsetzungen mittlerweile ihre Fans haben, stimmten die Gewinne anscheinend nicht. Als Konsequenz wurde das Entwicklerstudio "Junction Point" von Warren Spector im Januar 2013 von Disney geschlossen und Spector entlassen. Damit sind die Hoffnungen auf ein "Micky Epic 3", mit dem die geplante Trilogie als Musical-Event abschließen sollte, wohl in alle Winde zerstreut.

Ein Standpunkt: Zwischen Rückblick und Ausblick

"Micky Epic" war definitiv ein aufsehenerregendes Projekt für Disney-Liebhaber, die erwachsen geworden sind und sich trotzdem noch heute gern an den liebgewonnenen Figuren erfreuen. Das Spiel gab ihnen die Möglichkeit, ihre Kindheitserinnerungen aufleben zu lassen.


Micky zeigt Reue und will Oswald im Kampf gegen das Phantom unterstützen
Obwohl Micky Maus der titelgebende Hauptcharakter ist, wurden viele Spieler erst durch "Micky Epic" auf das Schicksal von Oswald aufmerksam. Der glückliche Hase stand wieder im Rampenlicht und begeisterte durch sein selbstsicheres, harsches Auftreten gegenüber Micky, welches anfangs so gar nicht zur Friede-Freude-Eierkuchen-Lebensart von Disney passte. Das düstere Paralleluniversum Wasteland steht in einem divergenten Verhältnis zur schillernden Welt von Disneyland. Der Verfall von alten Ikonen und früheren Stars, die ihre Lebenslust verloren haben und ohne ihr Cartoon-Herz in den Tag hineinleben, ist in Wasteland allgegenwärtig. Als Spieler oder Comicleser wird man sentimental, ja nahezu nachdenklich beim Anblick der Trostlosigkeit, welche die einstige Disney-Prominenz eigentlich nicht verdient hat. Und so schwingt auch ein bisschen Wehleidigkeit mit, wenn wir Micky Maus auf seiner wundersamen Reise durch Wasteland begleiten.

Diese Reise ist auch eine Reise in Mickys Vergangenheit. Als tollpatschiger Mäuserich, der das Stigma der "personifizierten Niedlichkeit" von Zeichentrickfiguren besser als jeder anderer verkörpert, beginnt Mickys Aufstieg zu Weltruhm. Die verspielte Kindlichkeit des jungen Micky ist zu Beginn von "Micky Epic" der Auslöser für die Verdünner-Katastrophe, aber dieser rettet sich eilig in seine heile Welt hinter dem Spiegel. Verantwortungsbewusstsein zeigt er nicht im Geringsten. Die charakterliche Entwicklung von Micky Maus ist wesentlicher Bestandteil des Spiels; und die Person vor der Konsole entscheidet selbst über die Stärken und Schwächen der Maus mit den roten Hosen. Die Gameplay-Mechanik von Erschaffen und Zerstören kann einerseits den Seelenfrieden bringen, andererseits ein gewissenloses Monster aus Micky machen. Das wird spätestens mit der letzten Videosequenz vor dem Abspann klar.


Unterwegs in der Gruselvilla: Die Skelette bitten zum Tanz!

Im Hinblick auf diese bewusst inszenierte Diskrepanz zwischen Gut und Böse wundert es nicht, dass der moralische Verfall von Micky Maus sich ursprünglich noch stärker in "Micky Epic" widerspiegeln sollte. Im Verlauf der Handlung, die sich der Zerstörer-Micky als Verdünner-Verschwender selbst zuzuschreiben hat, sollte sich die süße Maus ersten Konzeptzeichnungen zufolge in eine Monster-Maus verwandeln, die sich selbst zunehmend auflöst und durch sein widerwärtiges Aussehen Abscheu und Ekel hervorruft. Dagegen hätte sich der edle Micky, welcher der Welt von Wasteland mit seiner Farbe wieder zu neuem Glanz verhalf, über goldene Handschuhe freuen dürfen und sich später eine goldige Aura zugelegt. Diese Ideen wurden jedoch verworfen, wahrscheinlich auf Druck von Disney,

Oswalds Neid auf Mickys Erfolge ist unübersehbar
um die Kinderfreundlichkeit von "Micky Epic" mit einem klassischen Happy End zu gewährleisten.

Das Comicbuch zum Videospiel hat ebenfalls vieles richtig gemacht und stößt die Tür auf für einen modernisierten, liebenswerten Micky Maus im alten Gewand, der trotzdem mutig und selbstbewusst auftritt - ohne nervig zu wirken. Die Verjüngungskur, die Micky Maus durch die "Micky Epic"-Saga erfuhr, hat dem Charakter in meinen Augen sehr gutgetan. Es scheint, als hätte darin sogar eine Notwendigkeit bestanden, wenn man sich nur kurz an die Negativbeispiele der "Kurzhosenmaus" zurückerinnert.

Darum schwingt in den gefühlvollen Rückblicken zu den Ursprüngen von Micky Maus auch immer die Hoffnung mit, dass diese Figur zeitlos ist und sich durch ihre Wandelbarkeit immer wieder neu erfindet. "Die Micky Maus" ist nicht nur Symbol für eine unbeschwerte Kindheit. Diese Figur kann auch ernsthaftere, erzieherische Themen transportieren, die nicht nur der reinen Unterhaltung dienen. In meinen Augen macht das den Reiz von "Micky Epic" aus. Die Videospiele und der Comic sind immer ein Garant für Spaß und Spannung und sind ein Muss für die junggebliebenen Zeichentrick-Zuschauer, die ihre Helden von damals immer im Herzen behalten werden.


Von Entenfan, April 2018



Zuletzt aktualisiert: 21.04.2018, 12:14
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