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Rezension: Dagobert und der Drache von Glasgow



Titel: Dagobert und der Drache von Glasgow
Comic-Seiten: 56
Format: 320mm x 240mm (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 10.02.2023
Preis: 29,00 €

Der reichste Mann der Welt feierte Ende 2022 sein 75. Jubiläum in der Comic-Welt. Doch nicht nur eingefleischte Fans wissen, dass Onkel Dagobert nicht einfach mit einem Speicher voller Geld auf die Welt gekommen ist, sondern für sein Vermögen ein hartes und entbehrungsreiches Leben führen musste. Bereits in jungen Jahren hatte der kleine Dagobert, der zusammen mit seinen Eltern, seinen beiden Schwestern und einem seiner Onkel in der schottischen Großstadt Glasgow aufwuchs, nicht viel Zeit für seine Freunde und andere Vorzüge des Lebens.

Mit dem 15. Band der beliebten Reihe "Disney-Hommage" gratuliert die Egmont-Comic-Collection (ECC) dem schnabelhaften Fantastilliardär und lässt das französisch-italienische Duo Joris Chamblain und Fabrizio Petrossi die Geschichte "Onkel Dagobert und der Drache von Glasgow" erzählen. Ob es sich lohnt, einen Blick in Onkel Dagoberts schottische Jugend zu werfen und ob wir doch noch etwas über den knickerigen Geizkragen lernen können, ergründen wir in der folgenden Rezension!

Das Abenteuer "Onkel Dagobert und der Drache von Glasgow" (frz. "Picsou – Le Dragon de Glasgow") sollte im deutschsprachigen Raum eigentlich schon im November 2022 pünktlich zum anvisierten Jubiläum des Erpels erscheinen, wurde aber aus verlagsinternen Gründen auf Anfang Februar 2023 verschoben. Unsere französischen Freunde bekamen die 56 Seiten füllende Comicgeschichte stattdessen termingerecht zu lesen, wogegen die italienischen Leser auch schon im Januar in die bunte Welt von Glasgow eintauchen durften. Während deutschsprachige Leser 29 Euro aus ihrem Sparschwein hervorkramen müssen, haben Franzosen und Italiener gerade einmal die Hälfte auf die Ladentheke gelegt. Dafür erscheint das deutsche Album im großformatigen Hardcover (24 x 32 cm) und wird von einem Halbleinenrücken und hochwertigem Sonderpapier geschmückt.


Worum geht's?

Die pfiffigen Drillinge Tick, Trick und Track bereiten ein Theaterstück vor und sind durch einen alten Zeitungsausschnitt aus dem Jahr 1877 auf die Legende eines Drachen gestoßen, der in Glasgow für viel Aufsehen gesorgt haben muss. Die Neffen sind neugierig geworden und fragen ihren reichen Onkel Dagobert, ob dieser sich noch an das Spektakel in seiner schottischen Heimat erinnern kann. Jedoch fühlt sich Onkel Dagobert offensichtlich unwohl, wenn die Wunde an diese alte Erinnerung wieder aufgerissen wird und weigert sich strikt, seinen Neffen von dem Monster und dem Mädchen zu erzählen, das als erstes Auge in Auge mit ihm stand: Erin... Auf Vorschlag ihres heimgekehrten Onkel Donald bitten Tick, Trick und Track ihre zurückgezogen lebende Großtante Mathilda McDuck darum, ihnen von dem Abenteuer aus Onkel Dagoberts Jugend zu erzählen. Nur wenige Tage später erhalten die Großneffen einen langen Brief von ihrer tratschhaften Tante, die darin eine unglaubliche Geschichte von zwei jungen Enten aus völlig verschiedenen Verhältnissen enthüllt, die durch die Leidenschaft fürs Theater miteinander verbunden sind.



So oder so ähnlich lässt sich die Rahmenhandlung von "Dagobert und der Drache von Glasgow" zusammenfassen. Das nunmehr 15. von Glénat produzierte Album in der herausgegebenen Reihe Créations Originales schaut mit in die ferne Vergangenheit von Dagobert Duck, als der abenteuerlustige Milliardär noch ein kleines Küken und gerade einmal 10 Jahre alt war. Zu diesem Anlass schenkt Autor Joris Chamblain - unterstützt von Fabrizio Petrossis agilem Stift - seiner Leserschaft einen kleinen regressiven Moment in dieser charmanten Geschichte über die Kindheit, in der die kleinen Helden große Abenteuer und ihre ersten zarten Liebesgefühle erleben.


Die Künstler

Joris Chamblain, geboren am 29. Januar 1984, begeisterte sich schon früh für Comics, sodass er sie einige Jahre später zu seinem Beruf machte. Als Teenager versuchte er sich in der Kunst der Fanzines, gab das Zeichnen aber bald auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Im Jahr 2010 schrieb er sein erstes Album, "La Recherche d'Emploi", zusammen mit dem Zeichner Tyef. Als Spezialist für Jugendliteratur sind viele seiner Serien erfolgreich, darunter "Les Carnets de Cerise" an der Seite von Aurélie Neyret, sowie "Enola et les Animaux Extraordinaires", die von Lucile Thibaudier gezeichnet wurde. 2018 gehörte er zu der Gruppe von Künstlern, die eingeladen wurden, André Franquins geflecktes Geschöpf im zweiten Band von "Marsupilami - Des Histoires Courtes par..." neu zu beleben.

Fabrizio Petrossi ist ein 1966 geborener italienischer Zeichner von Micky-Maus-Geschichten. Er nahm seine Tätigkeit bei Disney Italia im Jahr 1992 auf. Von 1993 bis 1997 setzte er Geschichten mit dem Mäuserich für das Topolino-Heft um. Beachtung erhielt er als der Zeichner der siebten Episode von Giorgio Pezzins Micky-Serie "Es war einmal in Amerika", die normalerweise von Massimo De Vita gezeichnet wurde. Seit Ende der 1990er Jahre arbeitet er hauptsächlich an Micky-Abenteuern für das französische Journal de Mickey und das dänische Anders And & Co.

Von 1995 bis 2003 war er Senior Character Artist bei Walt Disney Consumer Products in Paris, wo er für Merchandising und Publishing zuständig war. In diesen Jahren war er auch als Ausbilder für neue Zeichner tätig und gab Schulungskurse in Tokio, Barcelona, Madrid, Mailand, London und Paris. Im Jahr 2003 kehrte er als Freiberufler für Comics und Illustrationen zum Disney-Konzern zurück.

Außerdem arbeitete er für den französischen Comic-Verlag Pif Gadget und zeichnete seine eigene Comic-Serie namens "Orbit". 2009 begann er, für Nickelodeon an SpongeBob zu arbeiten. 2010 assistierte er Lorenzo Mattotti beim Charakterdesign für Enzo DʼAlòs Spielfilm "Pinocchio" (2012). Petrossi arbeitet Disney-Figuren für Egmont, Disney-Hachette, Gemstone, Pearson und Disney Publishing USA aus. Im Jahr 2004 zeichnete er die Comic-Adaption "Micky Maus und die drei Musketiere", die auf dem gleichnamigen Film basiert, während er zeitgleich für Walt Disney Imagineering alle Poster und das Konzeptdesign für das Proszenium des Meet-Mickey-Theaters in Disneyland Paris entwarf. Im Jahr 2012 zeichnete er die gefeierte Graphic Novel von "Mickey Epic 2 – Die Macht der Zwei", die auf dem von Warren Spector entworfenen Videospiel basiert. Erst 2018 realisierte er das Album "Mickys Reisen durch die Zeit", das als siebter Band die Hommage-Reihe fortführte.

Für die Kolorierung des Dagobert-Bandes war der französische Grafiker und Kolorist Bruno Tatti (geb. 1969) verantwortlich, den Kenner vor allem für seine detailreiche Arbeit an verschiedenen modernen Brettspielen kennen. Unterstützt wurde er bei der digitalen Nachbearbeitung von Merete Jepsen. Für die Übersetzung des französischen Originaltextes in Deutsche zeichnete wie gewohnt Uli Pröfrock verantwortlich, der auch an den vorherigen deutschen Disney-Hommage-Teilen beteiligt war.


Idee und Entwicklungsprozess

Bereits vor vier Jahren verliebte sich Fabrizio Petrossi, ein Kenner der Altmeister Carl Barks und Al Taliaferro, in die Onkel-Dagobert-Biographie "Sein Leben, seine Milliarden". Diese wurde Mitte der 1990er Jahre vom US-amerikanischen Autor und Zeichner Don Rosa in zwölf Kapiteln erzählt. Petrossi verspürte den Wunsch, dieses epische Werk zu verlängern. "Nach "Micky Reisen durch die Zeit" wollte ich das Abenteuer mit Glénat fortsetzen, ohne mich zu wiederholen", erinnert er sich im Interview mit dem französischen Onkel-Dagobert-Magazin "Picsou". "Ich dachte an die Welt der Enten, die sehr unterschiedlich sind, vor allem an Dagobert Duck: Ihm war bisher kein Album in der Glénat-Kollektion gewidmet worden." Ein Versäumnis, das bald behoben sein sollte...

Nichtsdestotrotz ging noch einige Zeit ins Land. Fabrizio Petrossi begann mit ersten grafischen Skizzen und stellte die Idee seinem Verleger Frédéric Mange vor, der sofort begeistert war. Aus Gründen der Genauigkeit ließ er sich vom ehemaligen Chefredakteur von "Picsou", Pascal "Professeur" Pierrey, helfen, der eine erste Synopsis verfasste. Um das Abenteuer vollends in Gang zu bringen, kontaktierten Fabrizio und sein Verleger dann Joris Chamblain und stellten einen ersten Kontakt her. "Joris schlug mir sofort einen anderen Ansatz vor", bemerkte Petrossi. "Anstatt verschiedene Epochen in einem Album zusammenzufassen, sollten wir uns doch auf die Zeit in Glasgow konzentrieren." So kam der Stein ins Rollen.

Da der Rahmen nun vorgegeben war, wollte Chamblain das Szenario so genau wie möglich im Glasgow der damaligen Zeit ansiedeln, also einer schmutzigen schottischen Bergbaustadt, die vor allem von einfachen Arbeitern bewohnt wurde. Er recherchierte viel und arbeitete sich in die Historie einer armen Stadt ein, in der Kinder oft zur Arbeit in den Minen eingesetzt wurden. "Es war spannend, aber wir befanden uns in einer Disney-Geschichte", betonte der Skript-Autor. "Wir mussten also den Kontext herstellen und diese Themen auf eine sanftere, subtilere Art und Weise angehen". Chamblain überarbeitete seine Ideen und schickte seine Entwürfe regelmäßig an Petrossi, der Änderungen vorschlug. So wurde das Abenteuer von 46 auf 54 Seiten erweitert, um "den Figuren mehr Raum zu geben, die Hintergründe zu bereichern und das Ganze etwas "Disney-mäßiger" zu gestalten."

In einem Interview erzählte Chamblain, dass er während seiner Arbeit häufig das Album des finnischen Musikers Tuomas Holopainen hörte, der mit "The Life and Times of Scrooge" einen Soundtrack zum Opus Magnum von Don Rosa schuf. "Es war, als würde Don Rosa mir ständig seine Geschichten erzählen, damit ich nicht zu weit abdriftete", lachte Chamblain. "Ich konnte nicht anders als mir vorzustellen, wie er über meiner Schulter sitzt und beobachtet, auf welchen Weg ich seine Lieblingsfigur schicke. Aber ich weiß, dass Don der Meinung ist, dass Dagobert Duck ihm nicht mehr gehört als jedem anderen. Ich denke, er wird die Geschichte vor allem mit der Neugier eines Lesers lesen!".


Reise in die Vergangenheit

Das Abenteuer, das der zehnjährige Onkel Dagobert zusammen mit seinen Freunden und seiner Familie im Glasgow des Jahres 1877 erlebt, wird als Rückblende von Dagoberts Schwester Mathilda McDuck erzählt. Diese ist oft mit ihrem älteren Bruder draußen in der Stadt unterwegs und begleitet Dagobert nicht selten zu einem Treffen mit dessen Jungsbande in der großen Kohlemine. Obwohl es ihre Eltern ihnen verboten haben, erkunden die Kinder die unheimliche Mine auf eigene Faust und spielen dem Jungen "Schlagwetter", dem Sohn des Minenbesitzers, Streiche.

Dank des geistreichen Erfinders und Bühnenausstatters Darren schaffen es Dagobert und Mathilda, von Zeit zu Zeit unbemerkt in das Königliche Theater zu gelangen, wo sie gern die Kostüme überstreifen und sich verkleiden. Bei einem Besuch stoßen sie auf das Mädchen Erin, das neu in der Stadt ist und bei ihrer Tante wohnt, die im Theater arbeitet. Dagobert und Erin freunden sich an und entdecken ihre Leidenschaft fürs Schauspielern.




Zusammen mit ihren Freunden, Darren und Erins Tante stellen die Kinder auf Idee des freundlichen Minenbesitzers Dixon ein kleines Theaterstück auf die Beine, das auf dem Minengelände aufgeführt wird. Bei der Vorführung schlüpfen Dagobert und Erin in die Rollen von Romeo und Julia und erweichen mit ihrer Darbietung das Herz der Zuschauer. Auch Dagoberts Eltern, seine Schwestern Dortel und Mathilda und sogar Onkel Jakob McDuck sind gekommen. Die Vorstellung findet jedoch ein jähes Ende, als Schlagwetter vor allen Anwesenden ein düsteres Familiengeheimnis verbreitet, das die Ehre des Clans der McDucks beschädigt. Daraufhin verbietet Dietbert Duck seinem Sohn jeglichen Umgang mit Erin. Außerdem offenbart Minenbesitzer Dixon gegenüber Dagobert, dass das Geschäft mit der Mine schlechter läuft als allgemein angenommen und man künftig viel tiefer graben müsse, wozu man bald auch Frauen als Arbeitskräfte benötigen würde.

Von seinem Vater lernt der junge Dagobert die Geschichte des McDuck-Clans kennen und die beiden besuchen die Duckenburgh, den einst so ruhmreichen Stammsitz des Geschlechts. Am Abend belauscht Dagobert ein Gespräch zwischen Dietbert und Jakob und ringt mit sich, wie er seiner Familie helfen kann, da er um jeden Preis verhindern will, dass seine Mutter Dankrade in der gefährlichen Kohlemine schuften muss. Dagobert verfällt dank Dortel auf eine List, doch benötigt er die Unterstützung seiner Freundin Erin, um den Drachen von Glasgow zu bezwingen.


Einordnung

Es liegt auf der Hand, dass sich "Der Drache von Glasgow" stark an den Begebenheiten der Onkel-Dagobert-Biographie "Sein Leben, seine Milliarden" orientiert. Deren Hintergründe und Stationen von Onkel Dagobert hatte Don Rosa auf Grundlage der Geschichten von Carl Barks zusammengetragen, der gemeinhin als "Vater der Ducks" und Schöpfer von Onkel Dagobert gilt. Rosas Werk nimmt mit den Ereignissen in Kapitel 1 "Der Letzte aus dem Clan der Ducks" seinen Anfang und deckt die Periode zwischen Dagoberts zehntem Geburtstag und dessen Abreise nach Amerika ab, nicht ohne die Chronologie des Stammbaumes der Ducks zu beleuchten.




Rosas Kapitel spielt sich zu großen Teilen in und um die Duckenburgh im Hochmoor ab, doch auch im Comic "Zehnerjagd zwischen den Zeiten" zeigte uns Don Rosa seine Version des lebendigen Glasgows Ende des 19. Jahrhunderts. Chamblain und Petrossi bringen alle uns bekannten Mitglieder der Familie Duck, die in einer kleinen Wohnung in einem armen Arbeiterviertel von Glasgow leben und sich mit wenig zufriedengeben, aufs Tableau: Onkel Dagoberts Eltern Dankrade und Dietbert treten auf und vor allem in Bezug auf Dagoberts Mutter gibt es einige interessante Punkte zu ergründen. Dagoberts Onkel Jakob ist nach wie vor der eher impulsivere und tatkräftigere Typ und auch die kleine Dortel brabbelt in altbekannter Manier ihre Ansichten in die Welt hinaus. Den größten Part neben Dagobert selbst spielt allerdings seine Schwester Mathilda, welche die Handlung aus ihrer Sicht erzählt und die ihren großen Bruder wie keine Zweite kennt.

Etwa zwei Drittel der Handlung von "Dagobert und der Drache von Glasgow" spielen vor den Ereignissen in "Der Letzte aus dem Clan der Ducks" und arbeiten darauf hin, dass der junge Dagobert mehr über seine Vorfahren und seine Verpflichtungen lernt, um seinen Platz in der Welt zu finden. Davor ist er ein kleiner, neugieriger Junge, der auf der Suche nach Abenteuern ist und nicht immer auf das hört, was seine Eltern ihm sagen. Im Anschluss skizzieren Chamblain und Petrossi, dass ein Funke in Dagobert aufgeflammt ist, der ihn zusammen mit seinem ersten selbstverdienten Zehner anspornt, hart zum Wohle seiner Familie zu arbeiten und in die Welt hinauszuziehen. Nachdem es endlich so weit ist und Dagobert ein Schiff für die Atlantiküberquerung bestiegen hat, trifft Mathilda erneut auf Erin und erfährt von ihr einiges mehr über Dagoberts Vorkehrungen vor dessen Abreise.




Dass im letzten Drittel des Abenteuers ein Zeitraum von drei Jahren abgedeckt wird, wird bei Chamblain leider nicht deutlich. Denn wenn er sich streng an den chronologischen Rahmen von Rosas "Sein Leben, seine Milliarden" halten wollte, hat Dagoberts Abschied von seiner schottischen Familie im Jahr 1880 stattgefunden. Im Comic lesen wir aber, dass seine Mutter Dankrade nur einen Monat in der alten Mine arbeiten musste. Das muss bei genauerem Hinsehen kein Widerspruch sein, denn wahrscheinlich haben Dagoberts Eltern bis zuletzt dafür gekämpft, dass Dankrade nicht nach Kohle graben musste. Für mein Dafürhalten ist es nach der Rückblende auf "Der Letzte aus dem Clan der Ducks" aber nicht so einfach zu verstehen. Das mag daran liegen, dass der Hommage-Band ohne Textkästen auszukommen versucht und die Handlung durch Ort und Zeit springen kann, wie es dieses Phänomen der postmodernen Literatur so an sich hat. Leser:innen, die Don Rosas Werk nicht kennen, könnten dadurch aber unbedachterweise überfordert werden.


Meine Meinung

"Dagobert und der Drache von Glasgow" ist der dritte Band der Disney-Hommage-Reihe, der den Weg in meine Sammlung gefunden hat. Die Aufmachung ist hochwertig und exzellent verarbeitet, die Papierqualität angenehm wertig und das Druckbild sauber. Die Albumgröße bietet genügend Raum für die farbigen Zeichnungen und erwähnenswert ist auch die schöne Gestaltung des Umschlages. Es ist ein bisschen schade, dass diese Ausgabe nicht wie geplant zum groß gefeierten Dagobert-Jubiläum Ende des Jahres kam und daher wahrscheinlich ziemlich viel Aufmerksamkeit verpasst hat. Leider bekam ich auf meine Frage zum Grund der Verschiebung nur die Antwort, dass es sich um eine redaktionelle Entscheidung aus verlagsinternen Gründen handele.




Der Reiz der von Chamblain und Petrossi geschaffenen Geschichte aus Onkel Dagoberts Kindertagen in Glasgow besteht in meinen Augen darin, dass die beiden genau den richtigen Ton zwischen kindlicher Unbekümmertheit und charakterlicher Authentizität getroffen haben. Im Laufe der Geschichte bauen sie eine Dichotomie zwischen den heranwachsenden Persönlichkeiten zweier Welten auf, die sich unter normalen Umständen niemals begegnen würden. Auf der einen Seite steht der abenteuerlustige Dagobert, ein Junge aus den vom ewigen Smog bedrohten Armenvierteln, und auf der anderen Seite Erin, die privilegiert in einem glänzenden bürgerlichen Vorort wohlbehütet aufwächst. Aus den verschiedenen Ausgangssituationen heraus entwickeln beide ihre eigenen Träume und Vorstellungen von der Welt und versuchen, ihren Platz darin zu finden.

Wenn man zu Beginn der Geschichte glaubt, eine farbenfrohe Fantasy-Welt einzutauchen, in welcher der tapfere Klein-Dagobert unerschrocken auf Monsterjagd geht und am Ende eine Truhe mit einem Goldschatz darin findet, irrt man gewaltig. Mit Unterstützung der mitreißenden Rahmenhandlung wird man als Leser:in sehr schnell in eine andere Richtung der Erzählung gelenkt, die als Nacherzählung von Mathilda McDuck ausgesprochen gut funktioniert. Überhaupt ist für mich Dagoberts kleine blonde Schwester der heimliche Star der Geschichte, die vor allem von der Welt um Onkel Dagobert herum lebt.

Beim Schreiben legte Joris Chamblain großen Wert auf die soziale Situation der Geschwister aus ärmlichen Verhältnissen, die sich in einem lebhaften Viertel bewegen, in dem es von Menschen und Tieren nur so wimmelt. Da sind die Kutschen, die Schutzmänner und hektischen Städter, aber auch die verschmutzen Arbeiter, Alte und Kranke. Am Rande der Stadt, Tag und Nacht donnernd, diktiert eine große eiserne Maschine ihr Schicksal und erinnert sie ständig daran, dass es unmöglich sei, ihrem Zustand zu entfliehen. Trotz dieses stählernen Monsters, das sie beobachtet und nicht zuletzt Mathilda sehr beunruhigt, bewahren die Kinder eine ungetrübte Fröhlichkeit, die durch nichts zu erschüttern ist. Zumindest hat es anfangs den Anschein, als wären all ihre Wege vorgezeichnet. Doch dass dem nicht so ist und man aus den konventionellen Zwängen, Rollenbildern und historischen Traditionen mit all ihren Fesseln und Ankern ausbrechen kann, stellen Dagobert und Erin eindrucksvoll unter Beweis.

Die hübsche Beziehung zwischen dem armen Jungen und der bürgerlichen Erin, der Nichte des Theaterdirektors, färbt den Rest der Geschichte mit einer kindlichen Harmlosigkeit – auch wenn die Infragestellung des sozialen Kontextes präsent bleibt. Die beiden freunden sich an und pflegen ihre gemeinsame Leidenschaft für das Theater, um in andere Rollen zu schlüpfen. Diese Kunstform, die nur den Wohlhabenden im Königlichen Theater zugänglich war, teilen sie später unter Zuhilfenahme einfacher Mittel mit den anderen Kindern und den ausgezehrten Minenarbeitern. Man braucht kein abgeschlossenes Studium der englischen Literatur, um zu erkennen, dass ihre Darbietung von Shakespeares "Rome und Julia" auf die verbotene Verbindung zwischen zwei verfeindeten Familien hinweist, was schließlich zur Eskalation führt.

Joris Chamblain hat eine bewegende Geschichte geschrieben, in der er einen großen Teil von Onkel Dagoberts Jugend erforscht, bis er das Werk von Don Rosa einholt und dazu überleitet, dass der aufstrebende Junge seine Familie und seine schottische Heimat verlässt. Er kann sich gewiss sein, dass diese in guten Händen ist und daher selbstbestimmt strebt sein Glück suchen, um eines Tages als reicher Geschäftsmann zurückzukehren. Es fühlt sich fast schon ein bisschen verboten an, ein weiteres Abenteuer aus Dagoberts bewegtem Leben lesen zu dürfen, das nicht aus der Feder von Don Rosa stammt. Doch das geschmackvolle Ergebnis kann sich sehen lassen und ist meiner Meinung nach weniger schroff und oberflächlich als Kari Korhonens "Damals"-Saga, die erst vor einem halben Jahr im ECC-Band "Onkel Dagoberts Memoiren" erschien.




Was die Zeichnungen betrifft, so übernimmt Fabrizio Petrossi einen cartoonesken Stil, der stark an Zeichentrickfilme jüngerer Zeit erinnert. Seine Stärke sind die Bewegungen und der Ausdruck der Figuren, die die Schultern hängen lassen, stolz emporschauen oder deren Fröhlichkeit sich in den Augen widerspiegelt. Stellenweise orientierte sich Petrossi auch an Rosas Stil, was vor allem die erwachsenen Ducks betrifft. Es gibt viel zu entdecken auf den über 50 Seiten, und wer mag, darf gerne einmal die vielen Ratten, Tauben, Hühner, Käfer, Pferde, Spinnen, Schweine und anderen tierischen Kompagnons zählen, die sich in allen Ecken und Winkeln verstecken. Man kommt nicht umhin festzustellen, dass Petrossi sich auch bei der künstlerischen Kreation der Kulisse in seinem Element fühlte, da sich viele lebendige geometrische Formen finden lassen, die nicht immer wie mit dem Lineal gezogen aussehen. Die Hintergründe zeugen von einer Dichte und einer Enge, wie man sie in einer pulsierenden Großstadt erwarten würde. In der Mine liegen Werkzeuge herum, die Maschinen wirken funktionstüchtig und bei den Sequenzen mit dem Drachen kann man gut verstehen, weshalb die fantasievollen Knirpse all ihre Ängste in die Schrauben und Muttern projizieren. Für die fortwährend stimmungsvolle Atmosphäre sorgen die Licht- und Schatteneffekte, die von den Verantwortlichen für die Kolorierung mit viel Liebe zum Detail eingearbeitet wurden.


Fazit

Mit "Dagobert und der Drache von Glasgow" bescheren uns Joris Chamblain und Fabrizio Petrossi einen sanften und unterhaltsamen Comic, der genau die richtige Menge an Melancholie enthält, um seine Leserschaft zufrieden zu stellen.

Dafür muss man mit 29 Euro zwar tief in die Tasche greifen, aber die Lektüre lohnt diese Investition zumindest für Sammler und solche, die es noch werden wollen. Wem die Hommage-Ausgabe mit Leinenbezug derzeit zu preisintensiv ist, hat vielleicht später einmal die Gelegenheit, den Band in einer günstigeren Variante für 16 Euro zu erwerben, wie es bei einigen vorherigen Hommage-Bänden der Fall war. Leider bietet der Band keinerlei Zusatzmaterial, d. h. keine Skizzen, Artworks oder redaktionelle Texte. Man bekommt wirklich nur den Comic als solches. Beim Lesen sind mir auch ein paar Fehler aufgefallen, die wirklich nicht hätten sein müssen: Vergessene Buchstaben, ein unnötiges Leerzeichen und aus der stolzen Duckenburgh wurde ein märchenhaftes "Schloss". Zudem hat Dagobert nicht die Taschenuhr seines Ururgroßvaters erhalten, sondern die seines Urgroßvaters, folgt man dem Rosa'schen Stammbaumgeflecht.

Die Geschichte wird von einer Gruppe kleiner, liebenswerter Helden angeführt und lädt die Leserschaft regelrecht dazu ein, weitere Abenteuer über Dagobert Ducks Jugend zu schmökern. Fans des berühmtesten Geizhalses der Comic-Kunst können ihr Vergnügen am vielseitigen Charakter des Knickers zusätzlich verlängern. Alles Gute nachträglich, Onkel Dagobert!

Von Entenfan, April 2023 (Mit Dank an die Egmont Comic Collection für die Bereitstellung eines Online-Rezensionsexemplars!)


Zuletzt aktualisiert: 03.05.2023, 00:40
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