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Interview mit Michael Bregel

In der Entenhausener Szene ist Michael Bregel als Übersetzer bei Ehapa bekannt. Seit 2004 hat er für diverse Publikationen bereits hunderte von Disney-Comics ins Deutsche übertragen. Hier findet man eine Liste, welche allerdings die LTB-Veröffentlichungen nicht einschließt.

Im Januar 2009 haben wir ihn angeschrieben und um ein Interview gebeten. Die 14 Fragen, die er für uns beantwortet hat, zeigen, dass er nicht nur ein Übersetzer, sondern auch ein großer Fan und Experte des Mediums Comic ist. Viel Spaß beim Lesen!

PS: Mehr Informationen und weiterführende Links gibt es im Duckipedia-Eintrag zu Michael Bregel.


1) Beginnen wir mit einem aktuell viel diskutierten Thema: Im TGDDSH gibt es nun Neuübersetzungen von alten Barks-Geschichten. Die erste ist von Joachim Stahl in Heft 260, die zweite wird in Ausgabe 263 erscheinen. Würden auch Sie sich gerne an diesem Projekt beteiligen bzw. sind sie involviert? Und finden Sie das Ganze überhaupt sinnvoll?
Bislang bin ich nicht gefragt worden, ob ich eine Barks-Geschichte neu übersetzen möchte. Ich bin aber auch nicht der allergrößte Barks-Kenner und -Verehrer, insofern gibt es da sicherlich Berufenere. Allgemein hat man ja als Übersetzer bei jeder Geschichte die oft nicht leichte Wahl, entweder frei und im eigenen sprachlichen Rhythmus und Duktus zu übersetzen oder sehr nahe am Originaltext zu bleiben oder zu versuchen, beides irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Barks ist ein Künstler, dessen Arbeit vielen Leuten sehr viel bedeutet. Wenn da von einem großen Publikum der Bedarf gesehen wird, auch einen in der deutschen Fassung textlich möglichst eng am Original orientierten Umgang mit seinem Werk kennenzulernen, der vielen bislang offenbar zu kurz gekommen ist, dann ist es für eine Zeitschrift wie das DDSH natürlich sinnvoll, das anzubieten. Schließlich ist das DDSH doch ausdrücklich auch der Pflege der Disney-Klassiker gewidmet. Und eine bestimmte übersetzerische Lösung, so populär und legendär sie auch sein mag, kann nie die einzig selig machende oder akzeptable sein.

2) Zumindest wäre es ja nicht das erste Mal, dass Sie einen Klassiker neu übersetzen, Sie haben ja bereits das Meisterwerk "Das doppelte Geheimnis des Schwarzen Phantoms" von Guido Martina und Romano Scarpa für die "Hall of Fame" 11 übersetzt, welches schon Jahre zuvor von Gudrun Penndorf ins Deutsche übertragen wurde. Haben Sie dieses Werk bereits aus LTB 62 gekannt? Falls ja, schielt man dann nach dem (oder sogar beim) Neuübersetzen eigentlich auf diese erste Fassung? Oder kannten Sie den Comic sogar schon so gut, dass sie stellenweise wussten, was die Protagonisten an dieser und jener Stelle in der Erstübersetzung sagen?

Neben der Neuübersetzung des Klassikers gibt es in Hall of Fame 11 mit "Agent Duck, FBI" auch eine Erstveröffentlichtung mit bregel'scher Beteiligung
Beim "Doppelten Geheimnis" kannte ich sowohl die Penndorf-Fassung als auch die Übersetzung von Michael Jurkat im Micky-Maus-Band der FAZ-Comicbuchreihe. Ich habe beide Versionen aber bewusst vor meiner eigenen Übersetzungsarbeit nicht noch mal gelesen, sondern lieber aus dem Originaltext meine eigene deutsche Fassung entwickelt. Sollten sich da also Anklänge an die früheren Übersetzungen finden, sind sie entweder unbewusst aus der Erinnerung eingeflossen oder der Originaltext macht an manchen Stellen bestimmte Wendungen einfach unumgänglich. Gleiches gilt zum Beispiel auch für meine Hägar-Übersetzungen. Ich kenne sehr viele der zahlreichen deutschen Hägar-Veröffentlichungen der letzten Jahrzehnte, habe also sicher einiges davon im Hinterkopf, meine deutschen Übersetzungen mache ich aber ausschließlich mit den Originalstrips als Vorlage.

3) Obwohl Sie ja auch einige Non-Disney-Projekte verfolgen, erscheinen doch recht häufig Geschichten von Ihnen. Wie lange brauchen Sie denn um... sagen wir mal einen vierreihigen 10-Seiter zu übersetzen? Wie hoch ist ihr täglicher Arbeitsaufwand für die Ehapa-Übersetzungen? Und wie oft überarbeiten Sie ihre anfängliche Fassung noch?
Davon kann ich eigentlich nur die letzte Frage eindeutig beantworten: Zuerst mache ich eine deutsche Rohfassung, die überarbeite ich anschließend in einem weiteren Arbeitsgang intensiv und schließlich lese ich meine Endfassung noch mal Korrektur. Und später geht ja auch der Redakteur der Publikation, für die die Geschichte gedacht war, nochmals intensiv über den Text und bearbeitet ihn erneut nach seinem oder ihrem Gutdünken.
Der Arbeitsaufwand für meine Ehapa-Übersetzungen lässt sich nicht in Stunden pro Tag bemessen, jedenfalls nicht ohne größeren Rechenaufwand und sehr viel grobes Schätzen. Das liegt daran, dass es zum einen für die meisten Disney-Aufträge höchstens sehr vage zeitliche Schemata gibt, die sich einigermaßen berechenbar regelmäßig wiederholen. Zum anderen sind die Aufträge für verschiedene Veröffentlichungen in Zahl und Umfang der Geschichten extrem unterschiedlich. Aufträge für Buchveröffentlichungen betreffen oft einzelne Geschichten und sie kommen dann, wenn der Redakteur eben sein Buch plant. Demgegenüber kommen zum Beispiel die Geschichten für das Micky Maus-Magazin so alle ein- bis zwei Monate in größeren Story-Paketen aus Dänemark und werden dann von Joachim Stahl in ähnlichem Takt und ebenfalls in Konvoluten an die Übersetzer verteilt. Allgemein kann ich also nur sagen: Wenn ich etwas zum Übersetzen geschickt bekomme, mache ich es. Zeitlich vorab planbar oder vorhersehbar ist das leider in den wenigsten Fällen, da ist oft Improvisieren gefragt. Ich arbeite aber ohnehin sowohl gern als auch gern viel, so dass sich fast alles irgendwie unterbringen lässt. Auch der Arbeitsaufwand für einen vierreihigen Zehnseiter lässt sich nicht klar beziffern, weil es "den durchschnittlichen Zehnseiter" nicht gibt. Das fällt sehr unterschiedlich aus. Je nach Textmenge des Comics insgesamt, Gesprächigkeit des Originaltexters innerhalb der Blasen und Schwierigkeitsgrad des Textes kann der eine Zehnseiter durchaus zwei- bis dreimal so lange dauern wie ein anderer. Generell bin ich aber ein recht flotter Übersetzer, würde ich sagen. Auch, weil ich meine Übersetzungs-Sprachen inzwischen doch sehr verinnerlicht habe. Je weniger man nachschlagen muss und je mehr man mit dem Autor "in seiner Sprache mitdenkt", desto flüssiger und schneller geht die Arbeit.

4) Was gibt es allgemein für Differenzen beim Übersetzen der italienischen und den Egmont'schen Comics bzw. was muss man dabei beachten? Ist das Italienische oder das Englische angenehmer für Sie zu übersetzen?
Italienisch oder Englisch - eigentlich müsste man gesondert noch Amerikanisch nennen, denn das Englisch von beispielsweise Paul Halas und das von Don Rosa unterscheiden sich doch gravierend - habe ich zum Übersetzen eigentlich gleich gern. Ich war in allen drei Ländern schon ziemlich oft und habe versucht, dabei den Leuten in ihrer Alltagssprache gut zuzuhören und das dann für mein Textverständnis nutzbar zu machen. Jede Sprache hat ihre zauberhaften und ihre hässlichen Seiten. Von der Melodie und der subjektiv empfundenen Schönheit des Ausdrucks her gefällt mir das Italienische aber besonders gut.
Was meinen Sie mit "Differenzen"? Spezifische Probleme? Eigentlich wenige, wenn man sich unabhängig von persönlichen Vorlieben auf die jeweils gerade zu bearbeitende Geschichte einzulassen bereit ist. Zumal es "den" italienischen oder "den" dänischen oder amerikanischen Disney-Comic ja gar nicht gibt, auch wenn das für manche Leser vielleicht so wirken mag. Da gibt es aus meiner Sicht doch eine extrem hohe stilistische Bandbreite, sodass die Verschiedenartigkeit der Anforderungen beim Übersetzen meines Erachtens eher in den ganz individuellen Eigenheiten der Autoren als in ihrer Nationalität oder der Sprache, in der ihre Texte gehalten sind, begründet liegt. Die McGreals texten zum Beispiel ihre Entenhausen-Comics sehr oft in einer wirklich brutalen amerikanischen Umgangssprache, die eins zu eins ins Deutsche übertragen für Ehapa-Leser (und -Redakteure) absolut inakzeptabel wäre, denke ich. William Van Horn hat für mein Empfinden eine sehr prägnante regionale Färbung in seinem Amerikanisch, die manche Kenner seiner Originaltexte gerne als feinen Sprachwitz deuten, was man aber sicher nicht unbedingt so sehen muss. Eine bayrische oder Berliner Sprachfärbung ist ja auch nicht per se originell, wenn sie nur aus der Sprache des Autors stammt und nicht vorsätzlich dazu verwendet wird, einer bestimmten Comicfigur Kolorit zu verleihen. Da sollte man beim Übersetzen vorsichtig sein. Romano Scarpa neigte, vor allem in seinen älteren Werken, zu einer gewissen Brutalität, in den Texten ebenso wie in den Zeichnungen. Da muss man dann als heutiger Übersetzer manchmal etwas mildernd einwirken.

Berlinernde Bösewichte in William van Horns "Duckmän" (TGDDSH 221)
Tito Faraci als meiner Ansicht nach vielseitigster und auch über seine Disney-Sachen hinaus vielleicht wichtigster aktueller italienischer Autor ist offenbar ein Comic-Kenner mit nachgerade enzyklopädischem Wissen, der sehr viele Anspielungen auf andere Werke in seine Sachen einbaut, da muss man oft aufpassen, deutsche Leser nicht zu überfordern. Man könnte quasi endlos so weitermachen und sich von Autor zu Autor und von Eigenheit zu Eigenheit hangeln. Das alles macht aber für mich gleichzeitig eben auch den Reiz am Umgang mit den Texten anderer aus.
Oh, ein landestypisches Problem beim Disney-Comics-Übersetzen fällt mir doch noch ein: Die Italiener und die Holländer machen oft extrem kleine Sprechblasen, da ist es gelegentlich nicht einfach, den in der deutschen Übersetzung meist etwas umfangreicher werdenden Text längenmäßig und sinntechnisch noch vernünftig reduziert unterzubringen.

5) Ändert sich eigentlich Ihre Sprache bzw. Ihr Schreibstil in den verschiedenen Reihen? Sprich, wenn Sie zum Beispiel einen Comic für die Micky Maus übersetzen, passen Sie dann die Sprache dem im Vergleich zum TGDDSH jüngeren Publikum an?
Es ist mir schon bewusst, dass sich das DDSH an ein älteres Leserpublikum richtet als das MM-M und insofern spielt das beim Texten natürlich auch mit eine Rolle. Eigentlich versuche ich aber eher, meine Sprache so gut wie möglich der jeweiligen Geschichte anzupassen. Vereinzelt ist mir deswegen schon gesagt worden, mit der einen oder anderen MM-M-Übersetzung hätte ich nach Ansicht des Redakteurs ohne redaktionelle Bearbeitung die junge Leserschaft überfordert. Ich glaube, da unterschätzt man die jungen Leser und ihre Bereitschaft, sich auch mal auf neue sprachliche Entdeckungen einzulassen. Ich habe als Kind sehr viel Gewinn aus Übersetzungen von Erika Fuchs gezogen, obwohl deren Texte oft nicht gerade offensiv danach trachteten, von jedem Grundschüler in jeder Nuance verstanden zu werden. Zudem sprechen viele Comic-Geschichten nach meinem Empfinden schon aus sich selbst heraus eine bestimmte Leser- oder Altersgruppe an und legen deswegen auch von vornherein eine bestimmte Sprache nahe. Ich denke deshalb, dass im Hinblick auf das jeweilige Zielpublikum die kluge Verteilung der Stories auf DDSH und MM-M sehr wichtig ist und dass das im Allgemeinen von den Redakteuren auch sehr umsichtig gemacht wird.

6) Da im Lustigen Taschenbuch bedauerlicherweise immer noch keine Angaben zu den Übersetzern gemacht werden, artet das Ganze zumindest manchmal in Rätselraten aus. Was würden Sie uns denn empfehlen, wie wir am besten Ihren Stil erkennen können? In welchen Details unterscheiden sich Ihre Texte von der restlichen Ehapa-Übersetzer-Riege?
Na, na, ich werde euch doch nicht das spannende Raten verderben! ;-) Und mit anderen Textern vergleichen möchte ich mich schon gar nicht. Viele davon schätze ich als Leser sehr. Alle haben sie ihre Eigenheiten, besondere stilistische Qualitäten ebenso wie die eine oder andere interessante sprachliche Marotte. Ich natürlich auch, aber die selbst zu benennen werde ich mich hüten. Das Vergleichen macht mir selber auch Spaß, die Texte und ihre Texter aber auf dieser Basis im Vergleich zu bewerten oder gegeneinander aufzurechnen möchte ich denen überlassen, die das für notwendig halten. Mein Stil bei LTB-Übersetzungen unterscheidet sich aber auf jeden Fall nicht wesentlich von meinem Stil bei MM- oder DDSH-Übersetzungen, zumindest aus meiner Sicht.

7) In MM 41/08 erschien mit "Doppelt beglückt siegt besser" nach unseren Informationen Ihr erster selbst geschriebener Disney-Comic. Kann man von Ihnen in Zukunft noch weitere Auftritte als Autor erwarten? Wenn ja: auch im dreireihigen Format?
"Doppelt beglückt" war zwar meine erste Story im MM-M, vorher sind aber mit "Überraschung" im Frühjahr 2007 und "Stille Post" im Frühling 2008 schon zwei von mir geschriebene "offizielle" Disney-Onepager veröffentlicht worden. Und zwar als textlich personalisierbare Geburtstagsgrüße per Post für die Micky-Maus-Abonnenten, der erste von Rodriguez gezeichnet, der zweite von Ray Nicholson. Neben einigen Sachen, die noch in verschiedenen Bearbeitungsstadien sind, lauern ein paar weitere kurze Geschichten aus meiner Feder auch bereits fertig gezeichnet und übersetzt - die Originalfassungen muss man bei Egmont ja auf Englisch schreiben - im MM-Stehsatz. Auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung habe ich leider keinen Einfluss. Insgesamt schreibe ich lieber kurze Gag-Geschichtchen als längere Stories, beides ist aber gerade in Sachen Disney nicht so einfach. Deutsche Autoren scheinen in Kopenhagen nicht furchtbar beliebt zu sein, es ist schwer, da Material unterzubringen und alle Wege sind lange und kompliziert. Ich bin aber sehr dankbar dafür, dass es überhaupt geklappt hat, dass ich einige kurze Skripte bei Egmont unterbringen konnte, und ich werde das auch weiterhin immer mal wieder versuchen. Denn mit Donald und den anderen berühmten Entenhausenern arbeiten zu dürfen ist nun mal der Traum der meisten Autoren, die irgendwas mit Funny-Comics am Matrosenhut haben. Bessere Charaktere gibt es in diesem Bereich nicht. Obwohl ich sehr gerne auch mal was mit den Italienern machen würde, sind Dreireiher von mir eher nicht zu erwarten, weil die Italiener ihre Geschichten lieber untereinander entwickeln (außer sie sind Disney-international bekannte Zeichner und/oder Autoren und arbeiten auch direkt für Egmont in Dänemark). Deren Autorenpool speist sich zur Genüge aus den Absolventen der Disney-Akademie und da gibt es ja reichlich eigene Talente.



Zuletzt aktualisiert: 30.01.2012, 00:34
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