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Interview mit Gerd Syllwasschy

Seit 2007 überträgt Gerd Syllwasschy Disney-Comics ins Deutsche - und die Liste seiner Übersetzungen verlängert sich zusehends! Dass Syllwasschy ein echter Entenhausen-Fan ist, zeigt sich nicht nur darin, dass er in unserem Forum unter dem Pseudonym "Kasimir Kapuste" sein Unwesen treibt, sondern auch in der Tatsache, dass er Websites zu Carl Barks und William Van Horn ins Leben gerufen hat. Außerdem ist Syllwasschy als Redakteur bei der Egmont Comic Collection tätig und hat den im Oktober 2013 erschienenen Band "Alles über Micky Maus – Vom Dreikäsehoch zum Meisterdetektiv" zusammengestellt. Unter anderem darum geht es auch in den 15 Fragen, die er uns im April 2014 freundlicherweise beantwortet hat. Viel Spaß beim Lesen!
(Mehr Informationen über Gerd Syllwasschy findet ihr in der Duckipedia)


Foto von Gerd Syllwasschy mit William Van Horn in dessen Haus in North Vancouver. "Wenn ich mich recht erinnere, fachsimpeln wir da über D 2011-025, das Bill kurz zuvor fertiggestellt hatte. Fieserweise befand sich die letzte Seite der Geschichte gerade im Copyshop, so daß ich das Ende erst über ein Jahr später in Augenschein nehmen konnte!"
1) Wir starten jetzt einfach mal mit drei total kreativen Fragen: "Wer sind Sie, und was wollen Sie, und warum?" Oder naja, vielleicht wenigstens ein bisschen präziser: Erzähl doch einfach mal etwas aus deinem Leben! Wie sieht deine bisherige Vita aus? Was hast du vor deiner Übersetzertätigkeit beruflich gemacht?
Hauptberuflich bin ich seit gut fünfzehn Jahren in der Software-Entwicklung tätig. Das Interesse an Sprache und Sprachen war freilich schon immer vorhanden. Da bin ich aber im Wesentlichen Autodidakt.

2) Du hattest ja – ich hoffe, ich darf das so sagen – schon das eine oder andere Lebensjahr hinter dir, als du zu Ehapa gestoßen bist. Wie ist es dazu gekommen? Und warum erst so spät?
Dr. Erika Fuchs war wohl auch schon Mittvierzigerin, als sie die MM übernahm. Insofern ist das doch kein schlechtes Alter. ;) Aber es waren ja nicht meine ersten Gehversuche auf dem Gebiet der Übersetzung. Ich hatte es nur nie aktiv als Profession angestrebt.
Wie es dazu kam? Mir lag seinerzeit ein unveröffentlichter Van-Horn-Zehnseiter im Original vor, und es reizte mich, mir dafür einen deutschen Text zu überlegen. Weil mich die Meinung des Fachmanns interessierte, schickte ich die fertige Übersetzung dann Joachim Stahl, dem Comicredakteur der MM. Joachim kaufte sie sofort an und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, öfter für ihn tätig zu werden. So kam eins zum andern.
Bei der Geschichte handelt es sich übrigens um D 2005-371, sie wurde unter dem Titel "Der Wahlhelfer" in MM 16/2007 abgedruckt. (Hui, so lange ist das schon wieder her?!)

3) Wie verändert sich der Blick auf die Comics, wenn man auf einmal nicht nur Fan, sondern auch Macher ist? Welche neuen Erkenntnisse über Entenhausen hast du seitdem gesammelt bzw. in welchen Belangen hast du vielleicht sogar deine Meinung geändert?
Verändert hat sich nicht viel, ich bin immer noch Fan. ;) Es ist aber auf jeden Fall interessant, die Herangehensweise der verschiedenen Autoren aus erster Hand kennenzulernen. Ganz pauschal kann man sagen, dass die Amerikaner gar keine Hemmungen haben, mit Sprachspielen und USA-spezifischen Besonderheiten um sich zu werfen, während die europäischen Egmont-Autoren eher die internationalen Veröffentlichungen im Blick haben und die Feinarbeit häufig dem jeweiligen Übersetzer überlassen.
Erstaunlicherweise habe ich mit der Zeit ein besonderes Faible für die viel gescholtenen McGreals entwickelt. Die Thematik mag bei ihnen oft etwas überkandidelt wirken, aber die Storys sind in sich stimmig und haben Drive.


Der erste Ziegelsteinband des Maus-Universums
4) Am 17. Oktober ist bei der ECC der Band "Alles über Micky Maus – Vom Dreikäsehoch zum Meisterdetektiv" erschienen, der von dir redaktionell betreut wurde. Kannst du uns einen – gerne ausführlichen – Einblick deiner Arbeit an dem Band geben? Wie sahen die einzelnen Arbeitsschritte vom Anfang bis zum Ende aus? Und wie viel deiner Arbeitszeit steckt schätzungsweise insgesamt in diesem Band?
Im September 2012 erschien ja die Donald-Biografie "Vom Ei zum Erpel". Der Band verkaufte sich wohl ganz gut, jedenfalls trat im Januar 2013 Wolf Stegmaier, Editor-in-Chief bei der ECC, mit dem Vorschlag an mich heran, Micky zum 85. ein ähnliches Werk zu widmen.
Ich machte mich dann an die Recherche, sowohl im Inducks als auch in meiner eigenen Sammlung. Unter anderem hab ich die ersten zwei Jahrzehnte von Gottfredsons Micky-Strip noch einmal komplett chronologisch gelesen und sämtliche verfügbaren Kurzfilme mit Oswald und Micky gesichtet. Relativ schnell fiel dann die Entscheidung, das Ganze nicht so sehr als fiktive Biografie aufzuziehen, sondern mich eher an der historischen Entwicklung zu orientieren.
Im Februar wart du und Damian so nett, mir eure persönlichen Favoriten zusammenzustellen. Das hat mich auf diverse Geschichten gebracht, die ich gar nicht auf dem Radar hatte, und mir auch sonst bei der Entscheidungsfindung sehr geholfen. Ende März ging dann die Wunschliste mit rund 80 Storys nach Kopenhagen. Einen Monat später kam die Rückmeldung, welche davon verfügbar waren, und die Bestellung konnte fertiggemacht werden; dazu habt ihr ja auch wieder euren Input gegeben. Ab Mai trudelte nach und nach das Material ein und wurde (soweit nötig) übersetzt und gelettert. Im Juni stand dann die endgültige Struktur fest, und im Laufe des Juli habe ich die Begleitartikel verfasst.
Wie viel Zeit ich insgesamt in den Band gesteckt habe, kann ich gar nicht genau sagen – auf mehrere Wochen Vollzeitarbeit hat es sich aber mit Sicherheit summiert. Und außer mir haben im Verlag ja noch ein halbes Dutzend andere Leute einen Batzen Arbeit investiert, von der Materialbeschaffung und der Übersetzung über das Lettering und die Gestaltung bis hin zu Lektorat und Redaktion.

5) Ich weiß, dass du einige Geschichten angefragt hast, die in den Archiven von Egmont aber leider nicht verfügbar waren. Welche dieser Storys hättest du besonders gerne im Band gehabt? Und wie weit liegt die jetzige Zusammenstellung von deiner Idealvorstellung entfernt? Außerdem würde mich interessieren, welche Geschichte des Bandes dir persönlich am besten gefällt. Mit welcher kannst du eher wenig anfangen? (Die Antwort "Alle sind gut" gilt selbstverständlich nicht! ;))
Letzten Endes musste ich rein aus Platzgründen so viel aussortieren, dass die nicht verfügbaren Storys gar nicht groß ins Gewicht fielen. Im Grunde hätte ich 600 Seiten gebrauchen können, um alle Aspekte abzudecken!
Ich hätte ja gerne einige Gottfredson-Erstveröffentlichungen gehabt. Besonders schade fand ich, dass Cavazzanos "Topolino e il surreale viaggio nel destino" (I TL 2861-1) nicht zu kriegen war – überhaupt hätte ich das Thema Oswald gern vertieft. Insgesamt denke ich aber, dass die Zusammenstellung gelungen ist.
Meine Lieblingsgeschichte? "Ein stiller Tag am Strand", ein sehr schönes Stummfilmexperiment. Dicht gefolgt von "Im Strudel der Zeit": funktioniert als Abenteuergeschichte und spielt zugleich auf gelungene Weise mit Rollenklischees.
Etwas enttäuscht war ich von Cavazzanos "Besuch aus Tzaza". Die Geschichte hat durchaus gute Ansätze, die sich durch die holprige Dramaturgie aber nicht recht entwickeln können.
Außerdem bedaure ich, dass von Gottfredsons Phantom-Story keine besseren Druckvorlagen verfügbar waren. Da die Holländer die Geschichte gerade erst als Album veröffentlicht hatten, hatte ich erwartet, sie in entsprechender Qualität zu kriegen ...


"10 Little Mickey Kids" erschien nach 78 Jahren erstmals in deutscher Sprache
6) Auf eine ganz spezielle Geschichte des Bandes will ich noch kurz eingehen: Die Bildgeschichte "10 kleine Mausejungs" von Wilfried Haughton. Abgesehen von dem bemerkenswerten Inhalt kann ich mir vorstellen, dass es sehr schwer war, die Verse vom Englischen ins Deutsche zu übertragen. Wie ist es dir bei der Übersetzung dieser Geschichte ergangen? War es für dich die bisher größte Herausforderung als Übersetzer oder gab es schon ähnliche oder noch "schlimmere" Fälle?
Fand ich eigentlich nicht so schwer – sobald man sich in den Rhythmus eingefühlt hat, flutscht es ganz gut. Natürlich geht mehr Zeit für so was drauf, weil mehr Formalien zu beachten sind. Und nebenbei hat sich dabei herausgestellt, dass es im Deutschen gar keinen verNÜNFtigen Reim auf "fünf" gibt. ;)
Falls du auf den Geschmack gekommen bist: Der ECC-Band "Die besten Geschichten von Al Taliaferro" wird knapp zwanzig Seiten Comics in Versen enthalten.
Am anstrengendsten finde ich es regelmäßig, wenn der Originaltext eher uninspiriert oder schlecht strukturiert ist. Da muss man manchmal richtig basteln, um noch etwas Brauchbares herauszuholen.
Eine besondere Herausforderung ist es auch immer, wenn der Autor als Schlussgag ein Wortspiel verwendet, das a) unübersetzbar ist und sich b) nicht so leicht gegen etwas anderes austauschen lässt, weil man auf den Bildinhalt Rücksicht nehmen muss. William Van Horn ist ein Spezialist dafür.

7) Eigentlich bist du als Übersetzer eher im Duck-Universum beheimatet. Wie ist deine Einstellung zu Micky und was sind für dich die Gründe dafür, dass er bei vielen so unbeliebt ist?
Ein Aspekt ist sicherlich, dass Micky weitgehend auf die Rolle des Abenteurers festgelegt ist. Bei Donald kann sich im Vergleich dazu aus jeder möglichen Alltagssituation etwas Interessantes entwickeln, bei Micky kommt der Anstoß generell eher von außen. Das schränkt die Bandbreite ein.
Nicht unterschätzen sollte man auch die Rolle von Donalds Neffen. Ideale Identifikationsfiguren für den Jungleser. Micky hat mit Goofy zwar einen sehr interessanten Sidekick – aber identifiziert sich jemand mit dem?
Dass es von mir so wenig Micky-Texte gibt, hat aber nichts mit einer persönlichen Abneigung zu tun. Der Vorrat ist halt begrenzt, und auf die paar Micky-Storys, die noch produziert werden, hat quasi Susanne Walter das Monopol.

8) Jetzt aber mal zu den Duck-Comics: Du leitest nicht nur eine Website über William Van Horn, sondern bist inzwischen auch sein Stamm-Übersetzer. Was fasziniert dich an ihm? Welche Besonderheiten gibt es beim Übersetzen seiner Comics? Ist es besonders anspruchsvoll, Van Horns Sprache ins Deutsche zu übertragen?
William Van Horn hat einen ausgeprägten Sinn fürs Absurde, der genau auf meiner Wellenlänge liegt. Außerdem schätze ich, dass er sich bei aller Treue zum Vorbild Barks einen ganz eigenen Stil bewahrt hat. Seine Zeichnungen mögen manchmal täuschend schlicht wirken, aber es gibt kaum einen anderen Zeichner, der "Kameraeinstellungen" und "Schnitte" so bewusst einsetzt.
Sprachlich sind Bills Texte eigentlich nicht sehr komplex – sein Sohn Noel drückt sich schon wesentlich hochgestochener aus. Er hat freilich ein sehr präzises Timing in den Dialogen, das man im Deutschen erst mal hinkriegen muss.

Aus "Eine bewegte Nacht" (MM 45/2012)
Einige recht vertrackte Wortspiele sind auch dabei und bilden zuweilen die Basis für einen ganzen Zehnseiter. Das ist schon eine Herausforderung.

9) Im LTB – man kann es nur immer wieder bedauern – gibt es ja keine Übersetzerangaben. Dennoch glaube ich, dass du fürs LTB nicht als Übersetzer aktiv bist. Stimmt das? Wenn ja, warum nicht? Hat dich Ehapa nur nicht gefragt, liegt es an der Sprache oder liegen dir die italienischen Comics einfach generell weniger?
Wenn ich aus dem Italienischen übersetzen wollte, müsste ich alle Naslang irgendwelche Wörter und Wendungen nachschlagen. So was hält auf, und sämtliche Textfeinheiten würde ich auch dann nicht unbedingt mitkriegen. Ansonsten hab ich keine Berührungsängste mit dem LTB, auch wenn mir die "klare Linie" der Egmont-Comics in der Regel lieber ist als die barocken Karikaturen der Italiener.

10) Im Leserforum von TGDDSH 317 fordert ein Schreiber "ein bisschen mehr Hochdeutsch". Das Beispiel, das der Leser dafür gewählt hat, war zwar ziemlich unpassend, dennoch würde mich interessieren wie du darüber denkst. Ich vertrete eigentlich genau die gegenteilige Meinung und würde generell ein bisschen mehr Umgangssprache oder Dialekte durchaus begrüßen. Welche Rolle spielt dabei die prägende Übersetzungsarbeit von Dr. Erika Fuchs? Und gibt es dazu eigentlich irgendwelche Richtlinien von Ehapa?
Der Fuchstext ist natürlich immer noch das leuchtende Vorbild, aber die Übersetzer dürfen und sollen durchaus mit der Zeit gehen. Wobei ich es für einen Fehler hielte, jetzt ins andere Extrem zu verfallen und sich in jeder dritten Sprechblase mit vermeintlich angesagten Sprüchen à la "Das geht ja gar nicht!" oder "Wie xy ist das denn?" bei der Zielgruppe anbiedern zu wollen. Andererseits verblüfft mich ja immer wieder, wie sprachkonservativ die Altleser sich zum Teil gebärden – ich erinnere mich noch gut an den Aufschrei, der durch die Foren ging, als in der MM erstmals ein "krass" oder "fett" zu lesen war. Von Daibenzeihers legendärem "Mir kommt gleich das Ko…telett wieder hoch" ganz zu schweigen!
Richtlinien: Dass Dagobert sich bisweilen anhört wie ein wilhelminischer Bildungsbürger, passt zu ihm wie der Zylinderhut und soll auch so bleiben. Bei den Neffen dagegen ist ausdrücklich erwünscht, dass sie wie ganz normale Grundschüler reden und nicht wie Philosophiestudenten im letzten Semester. Die Regeln der Grammatik müssen freilich gewahrt bleiben – also nichts mit "Isch geh ma Mäckes, Alda!"
Gegen Dialekt hab ich gar nichts einzuwenden. Wenn in einer Geschichte ein bärtiger Bergbewohner auftritt, soll er ruhig auf Bairisch granteln. Ich selber habe damals den Seeleuten in "In den Schuhen der Fischer" (MMC 1) plattdeutsche Sätze in den Mund gelegt, was den Kieler Nachrichten sogar einen Artikel wert war. Ein Problem ist dabei allerdings, dass Dialekt für Leser, die nicht aus der Region stammen, schwer verständlich ist. Kann man also nicht über längere Strecken durchhalten.
Und es hängt natürlich vom Übersetzer ab. Ich als Norddeutscher kann gar nicht unangestrengt schwäbeln. Umgekehrt täte sich vermutlich Daibenzeiher schwer, überzeugenden Küstendialekt hinzulegen.

11) Es muss auch eine Frage zum leidigen Thema dabei sein, wie frei eine Übersetzung sein kann/muss/darf. Don Rosa war sein deutscher Übersetzer Peter Daibenzeiher ja an einigen Stellen zu frei bzw. unpräzise, weswegen die Texte nochmal von Jano Rohleder überarbeitet wurden. Wie stehst du dazu? Findest du es gerechtfertigt, wenn ein Autor mehr Werksnähe einfordert? Oder gelten bei Comics in dieser Beziehung andere Gesetze wie etwa bei einer Prosa-Übersetzung?
Nach meinen Erfahrungen sehen die Autoren das in der Regel ganz locker und billigen ihrem Übersetzer die Kompetenz zu, selbst zu wissen, was in der Zielsprache am besten funktioniert. John Lustig zum Beispiel ermutigt mich sogar ausdrücklich, seine Texte zu überarbeiten, wenn ich eine Verbesserungsmöglichkeit sehe. Rosa ist da ein Sonderfall, aber selbst ihm geht es, glaube ich, nicht so sehr um eine 1:1-Übertragung seines Stils, sondern darum, dass seine mühsam recherchierten Fakten erhalten bleiben.
Bei Disney ist es nun auch so, dass im Laufe der Jahrzehnte jedes Land seine eigene Tradition entwickelt hat. So ist das deutsche Entenhausen deutlich mitteleuropäisch geprägt, auch wenn man zuweilen Indianern oder Berglöwen in der näheren Umgebung begegnet. Da kann man gar nicht immer am Original bleiben, ohne einen Bruch mit den Lesegewohnheiten zu riskieren.
Bei unabhängigen Autorencomics mit eigenen Figuren sieht die Sache natürlich anders aus.

12) Mit "Im Land der Totempfähle" (TGDDSH 263) und "Die magische Sanduhr" (TGDDSH 281) hast du auch zwei Barks-Klassiker neu übersetzen dürfen. War es etwas Besonderes, diese Geschichten, die du wahrscheinlich seit deiner Kindheit kennst, noch einmal neu, originalgetreuer zu übersetzen? Hattest du die Fuchs-Fassungen beim Übersetzen im Hinterkopf? Wenn ja: War diese Vorprägung bei deiner Arbeit nicht eher hinderlich?

Gerd Syllwasschys neue Version von "Die magische Sanduhr" (TGDDSH 281)
Und wie standest du generell zu diesem Projekt? Findest du es schade, dass es mittlerweile wieder begraben wurde?
Der Hintergedanke war ja: Wie kann man Barks im TGDD nachdrucken und dabei auch dem Altleser noch etwas Neues bieten? Die Reaktionen darauf waren aber wohl eher lauwarm bis ablehnend. Vielleicht wäre es eine Idee, stattdessen ab und zu einen Barks-Zehnseiter im amerikanischen Original zu bringen.
Mir persönlich hat es viel Spaß gemacht. Barks hatte einen äußerst präzisen Stil, der sich praktisch von selbst übersetzt. Den Fuchstext auszublenden war zunächst tatsächlich schwierig, ist mir aber glaub ich ganz gut gelungen. Und ganz nebenbei bot das Ganze auch einen ausgezeichneter Vorwand, endlich einmal Van Horns Rahmengeschichte zur "Magischen Sanduhr" auf Deutsch zu bringen.
Insgesamt ist mir aber wichtiger, dass von den Fieselschweif-Storys, die Frau Dr. Fuchs nicht mehr übersetzt hat, jetzt erstmals adäquate deutsche Fassungen vorliegen.

13) Du legst ja aber nicht nur Donald, Micky & Co. die Worte in den Mund. Beispielsweise übersetzt du seit einigen Jahren die Serie "Last Kiss" von John Lustig. Wo bist/warst du noch als Übersetzer aktiv und welche sprachlichen Unterschiede gibt es zu den Disney-Geschichten? Oder welche Serien würdest du vielleicht gerne mal übersetzen?
Für Jano Rohleders dani books habe ich einige Comics übersetzt, die recht weit von Disney entfernt sind – zum Beispiel den Vampircomic "Daffodil" von Brrémaud/Rigano. Besonders viel Spaß hatte ich mit Alessandro Barbuccis "Chosp", das wohl in den nächsten Monaten herauskommt. Ungewohnte Kost für Disney-Leser, aber es lohnt auf jeden Fall einen Blick! Die Disney-Comics werden ja sehr mit Blick auf das Zielpublikum übersetzt. Daraus ergibt sich eine gewisse Nivellierung des Stils, was man bedauern mag. Bei Autorencomics, die keine etablierten Serienhelden verwenden, kann man den Stil dagegen ausgehend vom Original entwickeln. Das ist schon eine ganz andere Herangehensweise.

14) "Ich persönlich bin der Meinung, dass die Disney-Comics eigentlich "ausgedient" haben. Die Zeiten haben sich geändert, Comics sind nicht mehr der Renner. Und schließlich käuen Disney-Comics seit Jahrzehnten doch immer und immer das gleiche wieder. Die Ideen gehen langsam aus. Die Zeichnungen werden eher schlechter. Und auch neue Konzepte wie z.B. die unsäglichen "Donni Duck"-Geschichten, in denen uns Donald als Kind dargebracht wird, hätte man lieber einstampfen sollen. Die Disney-Comics sind eigentlich ein Auslaufmodell, das man einmotten sollte. Also: keine neuen Geschichten mehr, allenfalls alte Geschichten nachdrucken. So würde ich es machen!"so hatte sich Boemund von Hunoltstein 2010 in unserem Interview geäußert. Ich nehme mal an, dass das nicht deinem Wunsch entspricht, sonst hättest du ja nicht mehr viel zu tun... ;) Aber wie sieht deine Zukunfts-Prognose für die Disney-Comics aus? Wie die neuen IVW-Quartalszahlen zeigen, musste die "Micky Maus" ja schon wieder herbe Verluste hinnehmen. Wie kann man sie noch überhaupt noch "retten"?
Mit Verlaub, da hatte Boemund wohl gerade die Nostalgiebrille mit den flaschenbodendicken Gläsern auf. Man kann ein fast beliebiges MM-Heft aus den 60er- oder 70er-Jahren aufschlagen und wird darin mindestens eine erbärmlich gezeichnete Geschichte mit völlig abstruser Handlung finden. Heutzutage ist das technische Niveau allgemein doch um einiges höher, egal ob bei Egmont oder in Holland oder in Italien. Mag sein, dass es den Leser nicht mehr so vom Hocker reißt, wenn Donald zum gefühlt 123. Mal seinen Job in der Margarinefabrik durch eigenen Übereifer vergeigt oder sich zum 246. Mal mit Nachbar Zorngiebel um irgendwelche Nichtigkeiten einen Grabenkrieg am Gartenzaun liefert – aber gerade das ist doch ein hervorragender Grund, es einmal mit neuen Konzepten zu probieren?!? Donni oder Striezel empfinde ich durchaus als Bereicherung, solange sie nicht allzu inflationär eingesetzt werden.
Guckt man sich Länder an, in denen das Disney-Wochenheft noch eine stabile Auflage hat, fällt vor allem eines auf: Dort gilt das Heft als Familienzeitschrift und hat eine starke Abonnentenbasis. Die deutsche MM ist demgegenüber vor allem auf die relativ enge Zielgruppe der 8- bis 12-Jährigen ausgerichtet. Wenn die Zielgruppe ihr Taschengeld jetzt lieber in andere Medien investiert, hat man natürlich ein Problem ...
Ich maße mir nicht an, dafür eine Patentlösung zu kennen. Das Image der Zeitschrift umzumodeln wäre ein langwieriger Prozess, der anfangs eher noch mehr Leser kosten dürfte. Vielleicht lässt sich mittelfristig durch Online-Umsätze einiges kompensieren. Oder man verringert die Erscheinungsfrequenz und bringt dafür weitere Titel auf den Markt, die andere Leserschichten ansprechen. Das MM Comics und die diversen neuen LTB-Nebenreihen sind da schon ein Anfang.
Aber um mal im Wald zu pfeifen: Rund 100.000 verkaufte Exemplare pro Woche sind eigentlich immer noch ein Wert, nach dem sich jeder Comicverleger alle acht Finger lecken würde.

15) Die investigative Abschluss-Frage: Was ist dein Lieblings-Soundwort?
Wilhelm Buschs "klickeradoms!" (welches ja auch bei Frau Dr. Fuchs auftaucht) finde ich nach wie vor unübertroffen. Ein Wort, das eine ganze Geschichte erzählt!


Vielen Dank für das Interview, Gerd!

(Eure Meinungen dazu? Hier geht's zum Thread im Forum!)

Fragen von 313er; April 2014



Anschauungsmaterial: Die Textvorlage von Noel Van Horns "Misfired Mischief"...


... und das zugehörige Übersetzungsmanuskript!




Zuletzt aktualisiert: 27.04.2014, 01:24
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