Disney-Comics in der Literaturwissenschaft
Fuchs, Wolfgang J. und Reitberger, Reinhold C.: Comics. Anatomie eines Massenmediums, Reinbek bei Hamburg 1973.
Disney-Anteil: Kapitel "Donald Duck & Co."
Wie Wolfgang J. Fuchs hin und wieder in seinen "Entenhausener Geschichten" im TGDDSH zurecht stolz betont, war er zusammen mit Reinhold C. Reitberger für eine der ersten Comic-bezogenen Monographien in deutscher Sprache verantwortlich. Natürlich merkt man dem Buch sein Alter an, trotzdem ist in der Analyse der Figuren der eine oder andere interessante Gedanke enthalten. Fortschrittlich ist das Buch auch in der Beziehung, dass Carl Barks hier namentlich genannt wird und als Hauptverantwortlicher für Donalds große Beliebtheit ausgemacht wird. Besonders herausgestellt werden dabei seine Schatzsuche-Geschichten: "In diesen Geschichten wurden Stevenson und Enid Blyton mit dem Disney-Touch vermengt." (S. 59)Das Maus-Universum wird hingegen nur beiläufig erwähnt. Am Ende gibt es noch eine Breitseite gegen die italienischen Comics: "Paperino (Donald Duck) und Topolino (Mickey Mouse) unterscheiden sich nicht nur durch die mindere Qualität der Zeichnungen von den amerikanischen Originalen, auch ihr Inhalt ist simpel und plump schematisch." (S. 62)
An anderer Stelle wird noch ein kurzer Überblick über die damalig erscheinenden Disney-Comics in Deutschland gegeben (S. 226f).
Holzapfel, Harmut: Die Ente ist Mensch geworden. Anatiden und andere Humanoiden im Barks’schen Universum, in: Maren Bonacker (Hrsg.), Hasenfuß und Löwenherz. Tiere und Tierwesen in der phantastischen Kinder- und Jugendliteratur, Wetzlar 2011 (= Schriftenreihen und Materialien der Phantastischen Bibliothek Wetzlar 99), S. 183-214.
Dass Hartmut Holzapfel aus donaldistischen Kreisen kommt, merkt man seinem Text durchaus an: In einem unterhaltsamen Stil mit vielen Bildbeispielen schreibt er über das Barks’sche bzw. Fuchs’sche Entenhausen. Der Fokus liegt dabei auf den Anatiden und den anderen anthropomorphen Figuren, die in den Disney-Comics vorkommen. Wie Barks mit diesem Thema spielt, wird unter anderem anhand von "Die Intelligenzstrahlen" erläutert.Ein netter kurzweiliger Beitrag, wenngleich für Donaldisten oder andere Barks-Kenner wohl nicht so viel Neues dabei sein wird.
Marjanovic, Lucia: Literaturadaptionen in Walt Disneys Lustigen Taschenbüchern, in: Barbara Eder u.a. (Hrsg.), Theorien des Comics. Ein Reader, Bielefeld 2011, S. 43-60.
Untersucht werden in diesem Beitrag die Literaturadaptionen in den ersten 215 Lustigen Taschenbüchern. Davon hat Lucia Marjanovic insgesamt 95 gefunden, welche am Ende des Textes in verschiedenen Kategorien eingeteilt und aufgelistet werden. Es geht vor allem darum, welche Anpassungen für die Adaption vorgenommen werden (müssen), beispielsweise bei Todesfällen. Verschiedene Comics werden dabei als Beispiele herangezogen, wie etwa "Das Hexenlicht" (LTB 201), "Die Leiden des jungen Ganthers" (LTB 194) oder "Das Geheimnis der Silberleuchter" (LTB 143), die mit ihren literarischen Vorlagen verglichen werden. Ein interessanter Beitrag zu einem Thema mit viel Forschungspotenzial.Platthaus, Andreas: Im Comic vereint. Eine Geschichte der Bildgeschichte, Berlin 1998.
Disney-Anteil: Kapitel "Im Herzen die Finsternis: Carl Barks und Entenhausen" (S. 129-154).
Platthaus setzt sich unter anderem mit dem Werdegang von Barks auseinander, geht auf die von ihm eingeführten Figuren ein und spricht auch die seltenen Probleme von Barks mit dem Verleger an, beispielsweise die Kürzung seines Werkes "Wiedersehen mit Klondike" (S. 138f). Des Weiteren wird Barks‘ "kompositorisches Geschick" herausgestellt, indem die Vorskizzen von seiner Fieselschweif-Geschichte "Der Hund vom Hunzenwald" mit der Endfassung des "zweitklassigen" Kay Wright verglichen werden (S. 145-152).Kritisch steht Platthaus hingegen den Ölgemälden gegenüber, die Barks im Ruhestand gemalt hat: "Der Anschein von Kunst, den die Gemälde erwecken, wird von denjenigen Sammlern honoriert, die ihr oftmals als kindlich belächeltes Interesse an Comics rechtfertigen wollen. Doch sie übersehen, daß diesen Arbeiten all das fehlt, was Barks auszeichnet: Originalität, Ironie und erzählerische Qualität." (S. 153)
Pleuß, Alfred: Bildergeschichten und Comics. Grundlegende Informationen und Literarturhinweise für Eltern, Erzieher, Bibliothekare, Bad Honnef 1983.
Disney-Anteil: Kapitel über den Ehapa-Verlag (S. 111-117) sowie gelegentlich weitere Bezugnahme auf Disney-Comics
In einem Kapitel über den Ehapa-Verlag (S. 111-117) setzt sich Pleuß auch mit Disney-Comics auseinander. Als negativ bezeichnet er "die teilweise penetrante Vermarktung der Produkte, das konservative Welt- und Frauenbild, die starke Vermenschlichung der Tiere, die stellenweise etwas süße Emblematik." (S. 113) Leider werden diese Punkte aber nicht konkretisiert. Lobend erwähnt wird hingegen unter anderem, dass Brutalität vermieden werde, ebenso werden das „Personen-Inventar“ und der Humor positiv hervorgehoben. Als empfehlenswerte Reihe wird "Donald Duck" genannt, weil dort Geschichten von Carl Barks enthalten seien – tatsächlich waren in der 100-Seiter-Reihe aber kaum Geschichten von Barks enthalten. Kurioserweise werden stattdessen die "Micky Maus", die "Micky Vision" und das "Goofy-Magazin" als weniger geeignet bezeichnet, obwohl gerade diese Reihen häufig Comics von Barks enthielten. Gemischt bewertet wird das LTB, wobei hier die Maus-Geschichten als teilweise "langweilig-mäßig" bezeichnet werden.Auch an anderen Stellen der Arbeit wird Bezug auf Disney-Comics genommen. Beispielsweise wird Entenhausen "als in sich geschlossener Fluchtraum" (S. 83) bezeichnet, allerdings im positiven Sinne. Kritisiert wird dagegen die Verbreitung von Stereotypen über fremde Völker, wobei hier geizige Schotten als Beispiel dienen (S. 45).
Das Buch ist zu einer Zeit erschienen, als die Comic-Forschung noch nicht so sehr vorangeschritten war. Das ist aber nur bedingt eine Entschuldigung dafür, dass man nicht wirklich das Gefühl hat, dass Autor Pleuß Ahnung von der Materie hatte. Schade ist vor allem, dass er seine wertenden Urteile nie mit konkreten Beispielen untermauert. Da man aber sieht, mit welchen Vorurteilen auch damals Comics noch behaftet waren, ist das Buch zumindest aus historischer Sicht nicht uninteressant.
Reichelt, Peter; Havas, Harald; Fuchs, Wolfgang J.: Gezeichnet Walt Disney? Donald, Micky und ihre Väter Carl Barks, Floyd Gottfredson, Al Taliaferro und Walt Disney, Mannheim 2013.
Passend zur Ausstellung "Ente gut, alles gut" werden in dem ca. 175 Seiten umfassenden Taschenbuch die drei einflussreichsten amerikanischen Zeichner von Disney-Comics vorgestellt. Floyd Gottfredson, Al Taliaferro und Carl Barks. Zunächst geht es aber über Walt Disney und dessen Erfolgsgeschichte, bevor ausführlich auf Gottfredsons Schaffen eingegangen wird, indem auch einige Interview-Auszüge vom Künstler selbst eingebunden werden. Am meisten Raum nimmt aber der Part über Al Taliaferro ein, welcher mit vielen Aussagen seiner Frau Lucy begleitet wird. Dieser Teil ist – ebenso wie der über Gottfredson – sehr interessant für Fans der alten Zeitungsstrips. Der anschließende Teil über Barks fällt dagegen etwas ab, was aber auch schlichtweg damit zu tun hat, dass über Barks bislang viel mehr geschrieben wurde als über Gottfredson und Taliaferro, sodass nicht viel Neues zutage gefördert werden konnte.Als Kritikpunkt muss benannt werden, dass der Inhalt teilweise nicht gut aufeinander abgestimmt wurde. Das zeigt sich vor allem darin, dass die Sätze auf den Seiten 151 bis 153 über Barks‘ Ölgemälde in fast identischer Form nochmal auf den Seiten 162 bis 166 auftauchen. Auch generell werden einige Dinge von den verschiedenen Autoren mehrmals wiederholt. Etwas seltsam wirkt auch, dass eine Ausstellungskritik aus dem Jahre 1999 an den Anfang des Buches gestellt wurde und deshalb natürlich einige Informationen heute nicht mehr gültig sind (bspw. "Barks lebt 97-jährig in Oregon und erfreut sich, so heißt es, bester Gesundheit", S. 18).
Insgesamt aber trotzdem ein empfehlenswertes Buch, weil es Informationen über Taliaferro und Gottfredson liefert, die man kaum irgendwo anders in deutscher Sprache finden kann.
Schikowski, Klaus: Der Comic. Geschichte, Stile, Künstler, Stuttgart 2014.
Disney-Anteil: Kapitel "Die Welt und Walt Disney" (S. 64-69)
Für Kenner von Disney-Comics ist wohl nicht viel Neues dabei, auf dem begrenzten Raum gibt Klaus Schikowski aber einen ganz ordentlichen Überblick über das Thema. Nach einem Absatz über Floyd Gottfredson und einer Erwähnung von Al Taliaferro liegt der Fokus natürlich vor allem auf Carl Barks, welcher "eine außerordentlich große Qualität in die Comic Books brachte" (S. 66). Im Anschluss wird die weltweite Verbreitung der Disney-Comics thematisiert, welche Schikowski als "die ersten nachhaltigen globalen Comicexporte" (S. 67) einschätzt. Dabei geht es in einem Absatz auch um Dr. Erika Fuchs.Die Künstler nach Barks kommen hingegen ein bisschen kurz: Der Satz "die Geschichten der bekannten italienischen Zeichner Romano Scarpa, Luciano Bottaro und Giorgio Cavazzano erscheinen vornehmlich in den Lustigen Taschenbüchern" (S. 68) ist die einzige Stelle, in der auf die italienische Comic-Produktion eingegangen wird – die Formulierung legt außerdem nahe, dass Scarpa und Bottaro noch am Leben und aktiv seien.
Schikowski schließt mit der Feststellung, dass "[d]er Bekanntheitsgrad der Disney-Comicfiguren [...] eines der erstaunlichsten Phänomene der Comic-Geschichte [bleibt]" (S. 69).
Zuletzt aktualisiert: 26.09.2014, 15:07