Zwischenspiel: Ruhe und Frieden
Dass Carl Barks noch nicht alle Ideen für großartige Zehnseiter verbraten hat, stellten später einige seiner Nachfolger unter Beweis. Hierbei tat sich insbesondere William Van Horn hervor, der seit Ende der 80er-Jahre etwa 90 Zehnseiter geschrieben und gezeichnet hat. In diesem "Zwischenspiel" stellt uns Kopekobert Dukofjew einen seiner besten vor!
Storycode: D 97152
Originaltitel: Room and Bored
Erstveröffentlichung: September 1997
Deutsche Veröffentlichungen: MM 44/97, HOF 8, TGDDSH 297
Thematisch sind Zehnseiter zumeist im Entenhausener Alltag angesiedelt. Die besten unter ihnen zeichnen sich daher weniger durch einen spektakulären Plot oder exotische Schauplätze als vielmehr dadurch aus, eine einfache Prämisse so konsequent wie möglich zu entwickeln. Mit "Ruhe und Frieden" ist William Van Horn im Jahre 1997 ein Comic geglückt, der jede dieser Eigenschaften auf beispielhafte Weise verkörpert.
Das lässt bereits eine kurze Zusammenfassung des Szenarios erahnen: Donald ist allein zu Hause und leidet unter quälender Langeweile, die ihn zu immer verzweifelteren Versuchen treibt, die Zeit totzuschlagen. Alltäglicher könnte eine Situation kaum sein. Und doch empfinden wir den Ansatz als frisch und originell, da er einen Aspekt aus Donalds Leben aufgreift, der normalerweise unerzählt bleibt. Während der Originaltitel "Room and Bored" (statt "Room and Board") nicht nur wie so oft ein Wortspiel darstellt, sondern darüber hinaus das Thema der Geschichte ankündigt, zitiert die deutsche Übersetzung eine Äußerung des Protagonisten im zweiten Panel der ersten Seite. Insofern der Titel die Ironie der Lage auf den Punkt bringt, kann er ebenfalls als passend bezeichnet werden. Ruhe und Frieden sind in der Regel ja genau das, was Donald aus den verschiedensten Gründen verwehrt bleibt. Schon so manches seiner "wohlverdienten" Nickerchen wurde bekanntlich jäh durch seinen zanksüchtigen Nachbarn, seine lärmenden Neffen oder seinen unerbittlichen Erbonkel unterbrochen. Störungen dieser Art bleiben diesmal aus und hinterlassen eine gähnende Leere. Um diese zu füllen, schreckt Donald nicht einmal vor dem Versuch zurück, sich zunächst an Gustav und später an Zorngiebel zu wenden, in der Hoffnung, mit ihnen einen zünftigen Streit vom Zaun brechen zu können. Auf den ersten Blick erscheint einem sein Vorgehen als Ausdruck reinster Verzweiflung. Bei näherer Betrachtung trifft Van Horn an dieser Stelle aber auch eine Aussage über Donalds Charakter. Dessen ständiger Zwist mit seinen diversen Intimfeinden ist nicht etwas, das ihm ungewollt widerfährt, sondern etwas, das er immer wieder selbst heraufbeschwört, weil er es braucht. Ein Leben in Ruhe und Frieden verträgt sich letztlich nicht mit seinem ausgeprägten Temperament. Anders ausgedrückt: Donald ist nicht Franz Gans.
Während der arbeitsscheue Knecht vermutlich bereits im zweiten Panel selig eingeschlummert wäre, wechselt Donald in der suggestiven Anfangssequenz rastlos die Position, in der er auf seinem Sessel lümmelt. Um ihn herum hingegen herrscht absoluter Stillstand. Indem er auf diese Weise den Kontrast zwischen Figur und Umgebung betont, gelingt es Van Horn auf Anhieb, das Unbehagen Donalds zu verbildlichen, welches alle seine weiteren Handlungen motiviert. Unbehaglich fühlt er sich vor allem deshalb, weil er die scheinbare Ruhe als lastende Stille und den vermeintlichen Frieden als unerträgliche Monotonie empfindet, was nicht zuletzt durch das leitmotivisch eingesetzte Ticken der Wanduhr illustriert wird. Mit einfachen Mitteln entsteht so eine Stimmung beklemmender Ödnis, in der man die obligatorischen Insekten sogar ohne entsprechende Soundwords förmlich summen hören kann. Angesichts dessen ist es nur allzu nachvollziehbar, wenn Donald in der Folge alle Register zieht, um diesen Zustand der Agonie zu überwinden.
Ohnehin entspricht es seiner Mentalität, eine einmal gefasste Entscheidung mit blinder Entschlossenheit in die Tat umzusetzen. Gerade wegen dieser an Sturheit grenzenden Hartnäckigkeit eignet er sich hervorragend als Protagonist von Zehnseitern. Jedes noch so simple und banale Problem kann bei ihm in eine Haupt- und Staatsaktion ausarten. Dieses Charaktermerkmal macht Donald zu einem idealen Handlungsträger von Geschichten, die von der konsequenten Zuspitzung einfacher Grundideen leben. Und so fungiert seine Verbissenheit auch in "Ruhe und Frieden" als treibendes Moment, wobei Van Horn sie mit einer dem Sujet angemessenen beschaulichen Sachlichkeit in Szene setzt. Anstatt sie in eine Katastrophe münden zu lassen, entscheidet er sich zudem für eine ebenso stimmige wie überraschende Pointe. Wer sich an diesem Punkt gewiss schon längst nicht mehr langweilt, ist der Leser.
Das lässt bereits eine kurze Zusammenfassung des Szenarios erahnen: Donald ist allein zu Hause und leidet unter quälender Langeweile, die ihn zu immer verzweifelteren Versuchen treibt, die Zeit totzuschlagen. Alltäglicher könnte eine Situation kaum sein. Und doch empfinden wir den Ansatz als frisch und originell, da er einen Aspekt aus Donalds Leben aufgreift, der normalerweise unerzählt bleibt. Während der Originaltitel "Room and Bored" (statt "Room and Board") nicht nur wie so oft ein Wortspiel darstellt, sondern darüber hinaus das Thema der Geschichte ankündigt, zitiert die deutsche Übersetzung eine Äußerung des Protagonisten im zweiten Panel der ersten Seite. Insofern der Titel die Ironie der Lage auf den Punkt bringt, kann er ebenfalls als passend bezeichnet werden. Ruhe und Frieden sind in der Regel ja genau das, was Donald aus den verschiedensten Gründen verwehrt bleibt. Schon so manches seiner "wohlverdienten" Nickerchen wurde bekanntlich jäh durch seinen zanksüchtigen Nachbarn, seine lärmenden Neffen oder seinen unerbittlichen Erbonkel unterbrochen. Störungen dieser Art bleiben diesmal aus und hinterlassen eine gähnende Leere. Um diese zu füllen, schreckt Donald nicht einmal vor dem Versuch zurück, sich zunächst an Gustav und später an Zorngiebel zu wenden, in der Hoffnung, mit ihnen einen zünftigen Streit vom Zaun brechen zu können. Auf den ersten Blick erscheint einem sein Vorgehen als Ausdruck reinster Verzweiflung. Bei näherer Betrachtung trifft Van Horn an dieser Stelle aber auch eine Aussage über Donalds Charakter. Dessen ständiger Zwist mit seinen diversen Intimfeinden ist nicht etwas, das ihm ungewollt widerfährt, sondern etwas, das er immer wieder selbst heraufbeschwört, weil er es braucht. Ein Leben in Ruhe und Frieden verträgt sich letztlich nicht mit seinem ausgeprägten Temperament. Anders ausgedrückt: Donald ist nicht Franz Gans.
Während der arbeitsscheue Knecht vermutlich bereits im zweiten Panel selig eingeschlummert wäre, wechselt Donald in der suggestiven Anfangssequenz rastlos die Position, in der er auf seinem Sessel lümmelt. Um ihn herum hingegen herrscht absoluter Stillstand. Indem er auf diese Weise den Kontrast zwischen Figur und Umgebung betont, gelingt es Van Horn auf Anhieb, das Unbehagen Donalds zu verbildlichen, welches alle seine weiteren Handlungen motiviert. Unbehaglich fühlt er sich vor allem deshalb, weil er die scheinbare Ruhe als lastende Stille und den vermeintlichen Frieden als unerträgliche Monotonie empfindet, was nicht zuletzt durch das leitmotivisch eingesetzte Ticken der Wanduhr illustriert wird. Mit einfachen Mitteln entsteht so eine Stimmung beklemmender Ödnis, in der man die obligatorischen Insekten sogar ohne entsprechende Soundwords förmlich summen hören kann. Angesichts dessen ist es nur allzu nachvollziehbar, wenn Donald in der Folge alle Register zieht, um diesen Zustand der Agonie zu überwinden.
Ohnehin entspricht es seiner Mentalität, eine einmal gefasste Entscheidung mit blinder Entschlossenheit in die Tat umzusetzen. Gerade wegen dieser an Sturheit grenzenden Hartnäckigkeit eignet er sich hervorragend als Protagonist von Zehnseitern. Jedes noch so simple und banale Problem kann bei ihm in eine Haupt- und Staatsaktion ausarten. Dieses Charaktermerkmal macht Donald zu einem idealen Handlungsträger von Geschichten, die von der konsequenten Zuspitzung einfacher Grundideen leben. Und so fungiert seine Verbissenheit auch in "Ruhe und Frieden" als treibendes Moment, wobei Van Horn sie mit einer dem Sujet angemessenen beschaulichen Sachlichkeit in Szene setzt. Anstatt sie in eine Katastrophe münden zu lassen, entscheidet er sich zudem für eine ebenso stimmige wie überraschende Pointe. Wer sich an diesem Punkt gewiss schon längst nicht mehr langweilt, ist der Leser.
Von Kopekobert Dukofjew (Dezember 2016)
Zuletzt aktualisiert: 10.04.2022, 10:25