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Die Intelligenzstrahlen


Storycode: W WDC 141-02
Originaltitel: The Think Box Bollix
Datum der Erstveröffentlichung: Juni 1952
Deutsche Veröffentlichungen: MM 1/53, TGDDSH 12, Goofy 09/1981, Klassik Album 22, BL 21, Die frühen Jahre 4, BCS 7, CBC 10, Entenhausen-Edition 21, MM 04/2015, Dem Ingeniör ist nichts zu schwör

Einen der ausgefallensten Zehnseiter von Carl Barks, der sich nicht wirklich in eine der üblichen Kategorien einordnen lässt, stellt der erste (richtige) Auftritt von Daniel Düsentrieb aus dem Jahr 1952 dar.

Erschrocken und gleichwohl fasziniert wird Donald Zeuge des Testlaufes einer Düsentrieb’schen Erfindung: Der raketenangetriebene Gepäckwagen (bei Dr. Erika Fuchs wurde daraus "eine Art Traktor") verbraucht nur einen halben Feuerwerkskörper pro Kilometer! Donalds Neffen Tick, Trick und Track sind als stolze Assistenten von Daniel Düsentrieb begeistert von den Ideen des Erfinders. Dagegen hat Donald für den "verrückten Erfinder" nichts als Hohn und Spott übrig. Doch schon der nächste Einfall könnte Herrn Düsentrieb zu einem bekannten Genie machen: Mit zwei unscheinbaren Boxen, welche die Intelligenzstrahlen über einem Wildwechselpfad aussenden, werden Tiere in die Lage versetzt, wie ein Mensch zu denken und sogar zu sprechen! Die Sache ist Donald nicht geheuer und er verbietet seinen Neffen bei Strafe, Kontakt mit Herrn Düsentrieb zu haben, damit der Name Duck nicht zur Zielscheibe des öffentlichen Gespötts wird. Tick, Trick und Track halten das harsche Vorgehen ihres Onkels für überzogen: Schließlich wurden auch hoch angesehene Erfinder wie der Graf Zeppelin (im Original: Edison, Marconi und Bell) zuerst ausgelacht und nicht für voll genommen, bevor sich der Erfolg ihrer Errungenschaften herausstellte. Um den Würmlingen einen richtigen Schreck einzujagen und zu untermauern, wie gefährlich unausgereifte Erfindungen doch sein können, leiht sich Donald Duck zu mitternächtlicher Stunde ein Wolfskostüm aus und stürzt sich als intelligenter, jedoch genau so mörderischer und bestialischer Wolf verkleidet auf seine Neffen. Auf der Jagd nach "Entenbraten" (im Original: "roast ducklings") bekommen die Jungs Hilfe eines seltsamen Mannes, woraufhin sich Donald zu erkennen gibt und die Maskerade aufgibt. Doch plötzlich nimmt auch der Mann seine Maske ab und stellt sich als intelligenter Wolf vor, der tatsächlich großen Appetit auf "Entenbraten" hat...

Man kann ohne Zweifel sagen, dass "Die Intelligenzstrahlen" eine richtungsweisende Geschichte für das gesamte Disney-Universum ist. Carl Barks, der nach eigener Aussage selbst gern Erfinder geworden wäre, legte hiermit den Grundstein für den Erfolg des Diplomingenieurs, der seinem Motto "Dem Ingeniör ist nichts zu schwör!" stets treu geblieben ist. Auch wenn das Aussehen damals noch etwas vom heutigen Bild abwich und Barks ihn nicht als wiederkehrenden Hauptcharakter konzipiert hatte: Die Figur des chaotischen, aber liebenswerten Erfinders Daniel Düsentrieb ist nicht mehr wegzudenken aus dem Entenkosmos. Sogar Donald, der sich zunächst wie ein Kind über die Misserfolge des Tüftlers lustig gemacht hat und sich seinen Neffen gegenüber als übertrieben besorgter Bürgerlicher aufspielt ("Oh, that the name of Duck should ever sink so low!"), ist am Ende heilfroh darüber, welcher Erfindergeist in Daniel Düsentrieb steckt. Heute sind die beiden gute Freunde, Daniel hat dem vorschnellen Donald längst verziehen.

Dabei zählen die Intelligenzstrahlen sicherlich zu den bedeutendsten Erfindungen des schlaksigen Hühnervogels. Allein die Vorstellung, Tiere könnten tatsächlich sprechen und über ihre Psyche und vieles mehr sprechen, würde das Herz mancher Biologen bestimmt höher schlagen lassen... Nun führt uns Barks jedoch vor ein ungeahntes Problem: Sind die Ducks als sprechende Enten nicht selbst intelligente Tiere? Im englischsprachigen Original wird die Sache noch komplizierter, als der Wolf im Menschenkostüm behauptet, er sei kein Hund, sondern ein Wolf! Klar, denn in Entenhausen laufen alle "normalen Menschen" schließlich mit einer Hundenase herum... Fuchs hat diese Misere schlauerweise umgangen. Dafür hat sie dem gierigen Wolf aber stets die Bezeichnung "Genosse" in den Mund gelegt, was heutzutage eher befremdlich wirkt.

Dass man aus den Intelligenzstrahlen eine ganze Menge mehr machen kann, haben auch weitere Disney-Autoren erkannt. Allen voran nutzt Don Rosa diese Erfindung in "Düsentriebs erster Erfolg" um zu erklären, wie sein Helferlein so clever wurde – die ursprüngliche Lampe bekam eine ordentliche Ladung purer Gedankenkraft ("rays of pure thought") von Daniel ab! Später zeigt Rosa in "Der Duck, den es nie gab / Kein Tag wie jeder andere", wie Daniel Düsentrieb (logischerweise ohne Donalds Existenz) die Intelligenzstrahlen zwar noch umpolen konnte, aber den Effekt nicht nur bei dem Wolf rückgängig machte, sondern selbst Opfer seiner eigenen Erfindung wurde und seine Intelligenz verlor. Später machte sich Donald in "Schwein muss man haben" (David Gerstein – Vicar) die Intelligenzstrahlen zu Nutze, um für einen Talentwettstreit drei kleine Schweinchen zu dressieren. Die komplette Geschichte der Intelligenzstrahlen erzählt Daniel Düsentrieb in der TV-Show von Jiminy Cricket bei Vic Lockmans und Tony Strobls "So war mein Leben" / "This Is Your Life, Donald Duck" nach.

Für mich ist "Die Intelligenzstrahlen" ein echter Klassiker und gehört zum guten Ton in Sachen Barks-Meisterwerke. Das Absurde verleiht diesen zehn Seiten eine ungemeine Komik und Selbstironie, z. B. wenn der Wolf die exakten Sätze spricht wie zuvor der verkleidete Donald. Dennoch bleibt viel Raum für Interpretationen und wie so oft kommt Barks um unterschwellige Gesellschaftskritik nicht umhin: Der ebenfalls intelligent gewordene Hase wird dem Menschen nahezu unheimlich ähnlich, als er Donald im vorletzten Panel ausgerechnet um Geld für ein Pfund Mohrrüben anbettelt! Dabei ist Geld doch für die ach so schlauen Menschen nicht alles: Auch die Zehnseiter von Carl Barks bereichern die Menschheit ungemein!

P.S.: Kann es sein, dass der sprechende Hase zufällig der Freund eines sprechenden Rehkitzes ist? – Hmm...


Von Entenfan (Dezember 2018)




Zuletzt aktualisiert: 10.04.2022, 10:07
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