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Ein kleines Missgeschick


Storycode: W WDC 204-01
Originaltitel: Losing Face
Datum der Erstveröffentlichung: September 1957
Deutsche Veröffentlichungen: MM 09/58, TGDDSH 20, Goofy 04/84, TGDDSH 123, BL 33, BCS 11, MM 47/06, CBC 16, Micky Maus Edition 3, Entenhausen-Edition 33

Bei einer Autofahrt kommen Donald, Daisy und Tick, Trick und Track am Denkmal des berühmten Senators Pumperton vorbei, dessen Kopf – ähnlich wie bei den vier amerikanischen Präsidenten am Mount Rushmore – in eine Felswand geschlagen wurde. Donald eröffnet Daisy daraufhin, dass er vor einiger Zeit zusammen mit den Neffen für die Reinigung des Denkmals zuständig war. Die Unannehmlichkeiten, die dabei zu Tage getreten sind, haben aber auch in der Gegenwart ihre Konsequenzen...

"Ein kleines Missgeschick" kann man in gewisser Weise als eine Fortsetzung der Geschichte "Rührei" bezeichnen, welche etwa fünf Jahre zuvor veröffentlicht wurde. Nicht nur auf inhaltlicher, sondern vor allem auch auf erzähltechnischer Ebene, denn auch hier ist die eigentliche Story (Donald und die Neffen versuchen sich als Hühnerzüchter) in eine Rahmenhandlung eingebettet, in der Daisy über die peinlichen Vorkommnisse aufgeklärt wird... und auch hier ist das Ergebnis ähnlich katastrophal. Diese analeptische Erzählstruktur nutzt Barks dafür, Spannung aufzubauen, schließlich befindet sich der Leser in den ersten fünfzehn Panels auf dem gleichen Kenntnisstand wie Daisy und will ebenfalls wissen, warum Donald plötzlich "bleich wie ein Bettlaken" ist. Auf der dritten Seite beginnt dann die Binnenhandlung einzusetzen, welche in Form von vielen Textkästen begleitet wird. Wie für Dr. Erika Fuchs typisch enden Donalds Kommentare meist nicht mit einem Ausrufezeichen, sondern mit einem Punkt, was den flapsigen, lapidaren Anstrich des Geschehens noch verstärkt. Erst auf der letzten Seite wird für sechs Panels wieder in die Rahmenhandlung gewechselt, welche schließlich im Auto endet. Dort, wo sie auch begonnen hat.

Im deutschen Titel der Geschichte wird euphemistisch "Ein kleines Missgeschick" angekündigt, tatsächlich handelt es sich aber um eine Kaskade von Missgeschicken, in der das "Ausgerechnet" zum Tragen kommt und den Witz der Geschichte ausmacht: Ausgerechnet auf die Nase läuft das Unkrautvertilgungsmittel, ausgerechnet aus dem Mund steigt der Rauch aus... und ausgerechnet dann schaut auch noch der Staatspräsident zum Besuch vorbei. Donald und die Neffen kämpfen diesmal nicht gegen einen bestimmten Gegner, sondern gegen die Natur an sich – repräsentiert von einem nachtragenden Adler und einem wildgewordenen Schwarm Bienen. Diese Konflikte sind von Barks in gewohnt brillanter Weise zu Papier gebracht worden.
Aber was macht für mich die Geschichte noch besser als das ebenfalls unterhaltsame "Rührei", das im Vergleich sogar deutlich bekannter sein dürfte? Was mir besonders gefällt, ist die Tatsache, dass der Ausgerechnet-Moment noch auf die Spitze getrieben wird, indem die von Donald rückblickend erzählte Geschichte in der Rahmenhandlung zu ihrem logischen Ende kommt: Ausgerechnet in dem Moment, in dem die Ducks das Denkmal betrachten und Donald zu dem Satz "Aber früher oder später fürchte ich..." ansetzt, bröckeln Stirn und Nase des Senators vom Felsen ab und lassen diesen wie ein Orang-Utan aussehen. Es ist also ein Scheitern auf beiden Zeitebenen, welches beide Male in einer Flucht vom Ort des Grauens mündet.

Der Originaltitel der Geschichte, "Losing Face", ist also auf zweierlei Weisen interpretierbar: Einerseits können sich Donald und die Neffen durch die peinlichen Vorfälle nicht mehr am Ort des Geschehens blicken lassen, andererseits verliert dabei natürlich der Senator Pumperton im ganz wörtlichen Sinne sein Gesicht. Die Annahme liegt sicherlich nicht fern, dass sich Barks hier mal wieder ein wenig über die Obrigkeit lustig machen wollte. Die Schändung des Denkmals und der damit einhergehenden Beschmutzung der Würde des Senators ruft bei dem in einer Limousine angereisten Staatspräsidenten Empörung hervor: "Ist Ihnen nichts heilig?", fragt er den Aufseher, welcher zwar gegenüber Donald die Obrigkeit darstellt, den Staatspräsidenten jedoch devot mit "Eure Exzellenz" anspricht. Eine kritische Haltung gegenüber der übertriebenen Ehrerweisung von Würdenträgern könnte man auch in Donalds Schlussworte hineininterpretieren: "Komm, Daisy, schnell weg, ehe sie es merken und uns erwischen. Obwohl ich sagen muß, daß ein Orang-Utan-Denkmal auch was ganz Schönes ist. Und mal ganz was anderes."


Von 313er (November 2016)


Zuletzt aktualisiert: 10.04.2022, 16:21
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