Rezension: LTB 566 - Goldenes Jubiläum
Es funkelt und strahlt im Regal des Zeitschriftenladens: Denn die Reducktion des Lustigen Taschenbuches feiert in der Dezember-Ausgabe nicht einfach irgendein "Goldenes Jubiläum", sondern den Ehrentag von Onkel Dagobert! Der junggebliebene Jubelträger wird stolze 75 Jahre alt, wie man auf dem leicht zu übersehenden Logo anlässlich des Geburtstages erkennen kann.
Dreh- und Angelpunkt von LTB 566 bildet die von Fabio Celoni erdachte und gezeichnete Jubiläumsgeschichte "Das Spiel des Schicksals" mit Onkel Dagobert in der Hauptrolle. Diese emotionale Story füllt stolze 190 Seiten des Bandes! Dass eine einzige Geschichte so viel Platz in einer Einzelausgabe des monatlichen LTBs einnimmt, gab's zuletzt 1992 mit LTB 167 "Die sieben Weltwunder"! In der vorliegenden Story wird der Faden des Scarpa-Klassikers "Die Linsen aus Babylonien" (LTB 74) fortgesponnen, ohne das schlussendliche Finale abzuschneiden. Wie das funktionieren soll und wie es Onkel Dagobert gelingt, sein gesamtes Vermögen zurückzuerlangen und einem düsteren Geist zu entkommen, ergründet man am besten selbst.
Wer den Taler ehrt und zudem dem Ersten Phantomias auf einer wilden Jagd nach dem Münstermännchen von Notre Duck hinterherhechtet, ist der folgenden Rezension wert!
Von Entenfan
Der Inhalt: | |||||
Titel | Autor (A), Zeichner (Z) | EV-Jahr | Seiten | Rezension | |
Das Geschäft des Jahrzehnts | A: Gorm Transgaard; Z: Andrea Ferraris | 2022 | 28 | Jämmerliche Jahresabschluss-Bilanz | |
Kunst am Hund | A + Z: Alessio Coppola | 2017 | 1 | Einseiter am Bande | |
Das Gespenst von Notre Duck | A + Z: Marco Gervasio | 2017 | 30 | Hin und Her ums Münstermännchen | |
Weich gebettet | A + Z: Alessio Coppola | 2021 | 1 | Einseiter mit Tiefgang | |
Das Spiel des Schicksals | A + Z: Fabio Celoni | 2022 | 190 | Epochale Besinnungslektüre |
Was verspricht die Aufmachung des Bandes?
Eine prologartige Sequenz schließt sich nur wenige Momente vor dem Ende der Geschichte "Die Linsen aus Babylonien" von Romano Scarpa aus dem Jahr 1960 an: Durch seinen unüberlegten Eifer und seine Besessenheit auf die geheimnisummantelten Linsen aus Babylonien hat Onkel Dagobert sein gesamtes Vermögen (völlig legal!) an die Panzerknacker überschrieben. Diese können ihr Glück kaum fassen, sichern dem nun mittellosen Dagobert jedoch vertraglich zu, ihm sein Geld zurück zu übereignen, sofern es ihm gelingt, auch nur eine der Linsen zum Keimen zu bringen. Obwohl Onkel Dagobert sein Möglichstes tut und dabei uneingeschränkte Hilfe von seinen Neffen Donald sowie Tick, Trick und Track erhält, findet er keinen passenden Ort, an dem eine eingepflanzte Linse zu sprießen beginnt.
Um "seinem" Geld weiterhin nahe sein zu können, bietet Onkel Dagobert den verschwenderischen Panzerknackern seine Dienste als Vermögensverwalter an, die fast schon aus Mitleid zustimmen. Immerhin bleiben Onkel Dagobert noch seine Erinnerungsstücke an die vielen Abenteuer aus seinem bewegten Leben, für die die Panzerknacker keine Verwendung haben. In der Nacht wird Onkel Dagobert unsanft geweckt und begibt sich in die Trophäenkammer des Geldspeichers. Dort manifestiert sich aus diesigen Schwaden eine unheimliche Gestalt, die sich Dagobert als sein "Geist des Schicksals" vorstellt. Der Geist will Onkel Dagobert nun auch noch seine Jugenderinnerungen rauben, sodass dem verarmten Greis gar nichts mehr bleibt und sein Lebenswerk für alle Zeiten ausgelöscht wird. Es gelingt Onkel Dagobert, den boshaften Geist – für den alles nur ein Spiel ist – dazu zu bringen, ihm noch einen Monat Zeit zu geben. Am Ende der Frist soll Onkel Dagobert wieder der reichste Mann der Welt sein; so verlangt es der unbekannte Besucher.
Ohne Startkapital nimmt Onkel Dagobert die Herausforderung an und schwankt zwischen ernsthaften Zweifeln an sich und seinem Geschäftssinn sowie seinem untrüglichen Gespür für gewinnbringende Abschlüsse und Abenteuer. Zunächst will Onkel Dagobert die geisterhafte Erscheinung für sich behalten und erzählt sogar seinen Verwandten nichts davon. An der Börse verdient er sich erstes Kapital und bekommt neuen Lebensmut. In den nächsten vier Wochen stehen für Onkel Dagobert vier große Abenteuer an! Nach einer extremen Expedition in den Dschungel, wo eine überaus intelligente Affenart in der Nähe einer Edelsteinmine beheimatet sein soll, reisen die Ducks in einer Düsentrieb'schen Erfindung fast bis zum Erdkern und treffen dort auf ein wundersames Völkchen kantiger Kristallmenschen, die sich ihre Köpfe über eine echt runde Sache zerbrechen. Später verschlägt es Onkel Dagobert, Donald und die Jungs in eine Wüste ganz in der Nähe von Babylon, wo sie im wahrsten Sinne des Wortes der Sage um den Turm- oder vielmehr Tunnelbau auf den Grund gehen und dafür sorgen, dass ein friedliches Wüstenvölkchen wieder Zugang zu Wasser erhält. Schlussendlich nehmen grüne Pflanzen-Aliens mit ihrem Raumschiff Kurs auf Entenhausen und stehlen überall Eisen; auch Onkel Dagoberts Geldspeicher schmilzt wie ein Eis in der Sonne. Der grantige Backenbartträger will mit den hungrigen Außerirdischen verhandeln, schließlich bleibt ihm nicht mehr viel Zeit, bevor die Frist verstreicht. Am Ende muss Onkel Dagobert seinem Schicksal ins Gesicht sehen.
Um die drängendste Frage vielleicht gleich vornweg zu beantworten. Nein, für mein Dafürhalten kann man "Das Spiel des Schicksals" im engeren Sinn nicht als Fortsetzung zu "Die Linsen aus Babylonien" bezeichnen. Den Alltime-Classic von Altmeister Romano Scarpa (zu dem es übrigens einen exzellenten Artikel von den Kollegen der Duckipedia gibt) sollte man zwar unbedingt gelesen haben, für das Verständnis der vorliegenden Geschichte ist er aber kaum relevant. Wenn ich Fabio Celoni (der mit diesem Werk übrigens sein Debüt als Autor gibt) richtig verstanden habe, bestand die Grundidee für "Das Spiel des Schicksals" bereits, bevor er sich entschied, sich auf Scarpas babylonische Hülsenfrüchte zu beziehen. Diese werden in Celonis Geschichte in jedem Kapitel aufgegriffen und spielen jeweils auch eine wichtige Rolle, doch geht es weniger um die keimenden Linsen an sich. Viel mehr sind sie Onkel Dagoberts letzte "Kronjuwelen", die letzten dinglichen Erinnerungsstücke an die Zeit vor der beachtlichen Vermögensverschiebung zugunsten der Panzerknacker. Peu á peu trennt sich Onkel Dagobert von den liebgewonnen Linsen und damit von den letzten realen Chancen, sein Geld zurückzubekommen, um damit Gutes zu tun. Das ist zwar nur beim ersten Mal überraschend, aber immer wieder ein guter Anknüpfungspunkt an den eher sanften Dagobert bei Scarpa. Onkel Dagoberts harte Schale zerbröselt zusehends, wenn er harte Rückschläge erleidet, und offenbart damit ein weiches Herz und die sentimentale Seite. Ab und zu mag das ein bisschen kitschig sein, aber angesichts der scheinbar ausweglosen Situation, in der Dago steckt, ist es für mich gerade noch vertretbar.
"Die Linsen aus Babylonien" bilden meiner Auffassung nach einen bildlichen Rahmen für die Kerngeschichte von "Das Spiel des Schicksals", der den Konflikt zuspitzt. Onkel Dagobert sieht sich damit konfrontiert, dass der Geist ihm seine wertvollen Erinnerungen stiehlt. Diese Bedrohung wird enorm aufgewertet und massiv verstärkt durch die Tatsache, dass Onkel Dagobert gerade nicht auf sein gigantisches Vermögen bauen kann, um sich dem Geist zur Wehr zu setzen. Hätte "Das Spiel des Schicksals" auch ohne Bezug zu "Die Linsen aus Babylonien" funktioniert? – Zweifelsohne. Aber im Kontext des fehlenden Geldes und der unübersehbaren Verzweiflung Dagoberts, der sich alt und ausgelaugt fühlt, gewinnt die Story ihre Glaubwürdigkeit. Ansonsten halte ich es wie der italienische Comic-Experte Luca Boschi, der mit Blick auf das unaufgelöste Ende von "Die Linsen aus Babylonien" zurecht darauf hinwies, dass man das Szenario nicht durch eine Schlusssequenz, in der Onkel Dagobert die keimende Pflanze findet, zu den Panzerknackern trägt und sein Geld zurückbekommt, unnötig verlängern müsste. Dank Scarpas genialer Erzählkunst bedarf es so einer (langweiligen) Auflösung gar nicht, weil sie in der Gedankenwelt des Lesers sowieso selbstverständlich ist und keinen spannenden Mehrwert generiert.
Daher hatte ich meine Schwierigkeiten damit, Celonis Story als "Fortsetzung" zu sehen. Diesem Anspruch wird "Das Spiel des Schicksals" meiner Meinung auch dadurch nicht gerecht, dass von dem Flair bei Scarpa sowohl inhaltlich als auch gestalterisch nichts fortgeführt oder weiterentwickelt wird (natürlich mit Ausnahme des am Boden liegenden Dagoberts als Protagonist). Das gezeigte Entenhausen spielt in der heutigen Zeit der Moderne mit PCs, Smartphones und wilder Düsentrieb-Technik. Dagegen schien es bei Scarpa noch eine Absonderlichkeit zu sein, dass Normalo-Typen wie Donald mit dem Flugzeug in die entferntesten Winkel von Afrika fliegen können oder man einen Werbefilm durch geschickte Schattenspiele manipulieren kann. Man muss "Die Linsen aus Babylonien" zeitlich einordnen: Bei Scarpa tauchen keine sprechenden Affen, Kristallmenschen unter der Erdkruste oder Raumschiffe mit Außerirdischen auf. Was nicht heißen soll, dass es dem Original an Fantasie und Witz mangelt oder es solche Dinge nicht schon den Comics der 60er gegeben hätte. Nur hätte man das bei einer echten, direkten Fortsetzung beachten müssen.
Nebenbei bemerkt gilt das auch für die Figuren Donald, Tick, Trick und Track und die Panzerknacker. Letztere sind in Celonis Story so gut wie gar nicht präsent und auch nicht so durchtrieben wie bei Scarpa. Donald ist weniger aufbrausend und energiegeladen und scheint sich auch nicht so sehr für Onkel Dagoberts Schicksal zu interessieren. Die drei Pfadfinder-Neffen bekommen keine Glanzstunde und keine geballte Actionsequenz, sind aber noch immer einfühlsam und trickreich. Baptist und Daniel Düsentrieb treten nur als Randcharaktere in Erscheinung. Nein, "Das Spiel des Schicksals" rückt einzig und allein Onkel Dagobert in den Mittelpunkt.
Die 190 Seiten starke Geschichte gliedert sich in vier größere Abenteuer der Ducks, die jeweils individuell eine eigene spannende Handlung erzählen, in Summe allerdings ein einheitliches Bild abliefern. Das ist Fabio Celoni meiner Meinung nach ziemlich gut gelungen. Jedes Kapitel ist auf seine Art und Weise interessant und bietet einen wunderbaren Hintergrund. Während der erste Teil noch ziemlich klassisch daherkommt (zwielichtiger Wissenschaftler, Expedition in den Urwald, Schatz, Verrat, Rettung), geht es im letzten Teil in den Weltraum, wo Dagobert von Beginn an schon wieder erstarkt wirkt und viel schneller Entscheidungen trifft. Darum empfand ich den vierten Teil auch als den schwächsten, weil mich die Sci-Fi-Elemente nicht sonderlich mitgenommen haben.
Am stärksten konnte mich das dritte Kapitel "Der Brunnen zu Babel" abholen: Hier gibt es schon geographisch den unübersehbaren Bezug zu Scarpa-Geschichte. Aufgegriffen wird die biblische Legende um den Turmbau zu Babel, die noch nie so ernsthaft in einem Disney-Comic thematisiert wurde. Weiterhin wartet Teil 3 mit einer (zugegeben sehr seltsamen) Begebenheit aus Onkel Dagoberts Jugendzeit auf, die noch von Bedeutung werden wird, und das gezeigte Pferde-Volk steht tatsächlich vor einer lebensbedrohlichen und existenzgefährdeten Herausforderung (zu der ich bspw. einen Fußball nicht zwangsläufig zählen würde). Außerdem gefällt es mir sehr, dass Onkel Dagobert über weite Strecken auf sich allein gestellt ist und damit auch mit seinen Gedanken allein ist. Seine Familie ist zwar kurzzeitig ein Korrektiv, das ihn davon abhalten will, sich in eine überaus gefährliche Situation zu begeben, doch Dagobert setzt sich wenig später darüber hinweg und wagt den Abstieg ins Ungewisse.
Immer wieder erleben wir Onkel Dagobert in andächtigen Augenblicken, in denen er tief in sein Bewusstsein eindringt, sich in einem inneren Konflikt zwischen Scheitern und Erfolg befindet und sich irgendwann damit abfinden muss, dass er zwar nicht mehr der Jüngste ist, aber weiterhin voller Tatendrang und Abenteuerlust ist. In gewisser Weise folgt Fabio Celoni zwar den Ursprüngen von Onkel Dagobert bei Carl Barks, bringt sie aber im Einklang mit Romano Scpara und bietet zusätzlich allerlei Neues aus Dagoberts Innenleben. Unter diesem Gesichtspunkt empfinde ich "Das Spiel des Schicksals" so, dass jeder Leser etwas in dem Onkel Dagobert wiedererkennen kann, was er mit der Figur verbindet. Der eine vielleicht mehr den Geschäftsmann, der andere den Abenteurer, wieder andere den Sturkopf oder das empfindsame Familienoberhaupt, das auch mal aus seiner Rolle als reichster Mann der Welt herausschlüpfen kann. Celoni legt sich nicht eindeutig fest: Er unterbreitet Angebote für freie Interpretationsmöglichkeiten eines universellen Dagobert Duck.
Auf der inhaltlichen Ebene kann ich – und der Austausch mit anderen Comic-Freunden zeigt mir, dass ich da vielleicht etwas allein auf weiter Flur bin – keine Anspielungen auf andere Geschichten von Carl Barks, Don Rosa oder sogar Romano Scarpa selbst in "Das Spiel des Schicksals" ausfindig machen. Fabio Celoni spricht keine Abenteuer aus Dagoberts (Barks-)Vergangenheit an, und auch in der Trophäenkammer stapeln sich keine Andenken an Schatzsuchen ins Land der viereckigen Eier, Goldbarren aus dem Schiff des fliegenden Holländers oder Münzen aus dem Geldspeicher von König Midas. Es gibt rein gar nichts, was Fans wiedererkennen sollen. Dass es sich Fabio Celino bewusst nicht einfach gemacht hat, sieht man am besten im zweiten Teil, der zwar unter der Erdkruste spielt, aber in keinem Augenblick darauf hinweist, dass die Ducks schon einmal fast zum Erdkern vorgedrungen sind und auf rollende Kullern gestoßen sind. Bei Celoni wird nichts recycelt, nur der unangetastete Rahmen aus Familie Duck, die einfach überall Abenteuer erleben und auf fremde Kulturen treffen können, bildet das Fundament.
Am Zeichenbrett hat Fabio Celoni sicherlich Stunde um Stunde verbracht, um fast 200 Seiten zu gestalten. Der Aufbau der Panels ist wunderbar abwechslungsreich, hervorzuheben sind die stillen Momente und die imposanten Szenen im Großformat. Celoni spielt seine Stärke, mit Fantasie aufgeladene Augenblicke meisterhaft einzufangen, mit beeindruckender Präzision aus. Folglich herrscht zu jeder Zeit die perfekte Atmosphäre. Celonis fließender, weicher Stil voller Wellenbewegungen ist unverkennbar und passt hervorragend zu Nebelschleiern, Blättermeeren, Kristallhöhlen, Sanddünen und Sternenhimmeln. Nur die Kolorierung ist manchmal etwas arg duster und kommt ohne viel Licht aus, trifft damit wahrscheinlich aber den Ton der Story.
Ich will ehrlich sein: Ich habe fest damit gerechnet, dass "Das Spiel des Schicksals" sich auf der letzten Seite als nichts mehr als einen verrückten Traum Dagoberts entpuppt, nach dem Onkel Dagobert am nächsten Morgen erwacht und die keimende Linse aus Babylonien auf dem Fensterbrett erblickt. Der Status Quo wäre nicht gefährdet gewesen. Die Art und Weise, wie Fabio Celoni die Geschichte um den Geist auflöst, hat mir ausgesprochen gut gefallen und ich empfand sie auch stilsicher präsentiert. Bauchschmerzen bereitete mir eher der Zylinder-Zaubertrick, mit dem Onkel Dagobert sein Geld wieder herbeizaubert, doch das muss wohl jeder für sich selbst lesen und einschätzen. Abschließend sei bemerkt, dass ich den deutschen Titel als verfehlt empfinde: Es ist überhaupt kein Spiel, auf das sich Onkel Dagobert einlässt. Mein Vorschlag wäre "Der Schleier des Schicksals" gewesen...
Fazit: Ein wahrhaftiges Highlight und eine der ungewöhnlichsten Geschichten, die jemals zu Onkel Dagoberts Jubiläum entstanden. Jeder Dagobert-Fan wird auf seine Kosten kommen und ein spannendes Abenteuer erleben, dass außergewöhnlich emotional und tiefenpsychologisch den reichsten Mann der Comicgeschichte ins Rampenlicht rückt und zeichnerisch genial umgesetzt wurde. Direkte Anknüpfungspunkte zu Scarpas "Die Linsen aus Babylonien" sind jedoch so gut wie nicht vorhanden, und man muss sich auf sehr viel ausgesprochenes Unaussprechliche einstellen.
Das historische Entenhausen des Jahres 1924 wird von einem geheimnisvollen Dieb in Angst und Schrecken versetzt, der auf mysteriöse Art und Weise unwiederbringliche Artefakte und unbezahlbare Kostbarkeiten stibitzt. Für die Presse sind die Taten ein gefundenes Fressen, denn die sensationsgierigen Reporter sehen niemand anderen als Gentlemandieb Phantomias hinter den dreisten Diebstählen. Allerdings stecken ausnahmsweise nicht die Alter Egos von Lord Quackett und seiner Partnerin Detta von Duz hinter den Straftaten, die zudem das Markenzeichen des Ersten Phantomias vermissen lassen und nicht ganz so gewieft ausgeführt sind. John Quackett und Detta schlüpfen folglich in ihre Kostüme, um dem wahren Täter auf die Schliche zu kommen. Eine gespenstische Gestalt wurde im Entenhausener Münster, einer der bedeutendsten Sakralbauten der Stadt, gesichtet. Das freche Münstermännchen führt jedoch Phantomias und Phantomime an der Nase herum und schlägt ihnen bei einer hektischen Verfolgungsjagd durch die Stadt ein Schnippchen. Nach einem weiteren Zusammentreffen im Museum, wo das Münstermännchen in Begriff ist, einen wertvollen Smaragd zu stehlen, fühlt sich Phantomias herausgefordert. Es entbrennt ein heiteres Versteckspiel im Entenhausener Münster, an dessen Ende Phantomias eine echte Überraschung erlebt.
Nicht nur ausgewiesenen Kennern sollte das Entenhausener Münster ein Begriff sein, das eine zentrale Rolle in der Geschichte "Das Münstermännchen" von Carl Barks aus dem Jahr 1965 spielt. Darin sind es Onkel Dagobert und seine Neffen Donald sowie Tick, Trick und Track, die zwar ein wenig Federnsausen haben, sich aber dem Spuk des geheimnisvollen Münstermännchens entgegenstellen und das stets in einen nachtschwarzen Umhang gekleidetes Wesen durch Notre Duck jagen (so der englische Originalname, den man in der LTB-Fassung ohne zu Überlegen übernommen hat). Nun widmet sich der italienische Künstler Marco Gervasio dem Entenhausener Münster zu, das übrigens schon in einem Phantomias-Abenteuer in LTB 460 wieder in Erscheinung trat, und lässt den ersten Phantomias in haargenau die gleichen Fallen tappen!
Atmosphärisch bekommt man wieder einiges geboten von Gervasio, dessen Storys oft Schlüsselsequenzen bei Nacht mit wenig Illuminationen und vielen Schatten-Momenten beinhalten. So auch "Das Gespenst von Notre Duck", das nicht nur im Münster spielt, sondern auch Szenen in der Kanalisation oder den nächtlichen Straßen der Stadt. Einen interessanten Ansatzpunkt bietet der Umstand, dass ein zweiter Gauner sein Unwesen in Entenhausen treibt und Phantomias zu Unrecht von der Polizei verdächtigt wird. Leider wird hieraus erschreckend wenig gemacht, weil eher die Familiensaga weitergesponnen wird. Damit kommen wir auch schon zum weniger schlüssigen Teil, der mich als Leser schon ein kleinwenig irritiert hat. Die Handlung greift direkt auf die 15. Episode (LTB 543) zurück, die man gelesen und verstanden haben muss, da die in der jetzigen Story erzählten Rückblenden meines Erachtens nicht ausreichend sind, um die Tragweite einordnen zu können. Mich stört, dass der maskierte Fassadenkletterer aus freien Stücken handelt und seine Taten aus moralischer Sicht scheinbar nicht zu hinterfragen braucht... Ich hätte Hypnose oder einen übermäßig starken Liebesbeweis vermutet. Es wird nicht deutlich, warum Lord Quackett nicht schon eher eingebunden wurde und dieser sich wohl damit abfinden muss, dass die Polizei Phantomias beschuldigt. Richtig stimmig fühlt sich das für mich nicht an...
Eine Phantomias-Episode, die nur dank ihrer beeindruckenden Kulisse und den unübersehbaren Barks-Referenzen Freude bereitet, ansonsten aber die gewohnte Clever- und Coolness des Helden vermissen lässt.
Im Entenhausener Milliadärsklub soll der "Geschäftsmann des Jahrzehnts" gekürt werden und selbstverständlich rechnet Onkel Dagobert damit, den Preis wie schon einige Male zuvor einzuheimsen und sich prächtig zu amüsieren. Bei der Verleihung durch die Klub-Präsidentin fällt dem reichsten Mann der Welt allerdings die Schnabellade herunter: Nicht ihm, sondern der deutlich jüngeren Unternehmerin Zynthia Zyberle wird die Ehre zuteil, den Preis zu gewinnen! Diese hat nämlich mit ihrer neumodischen Fitness-App ein gigantisches Geschäft gemacht, deren Einnahmen sogar die des Duck-Imperiums in den Schatten stellt. Wie zu erwarten ist Onkel Dagobert verärgert und tönt damit, in der Lage zu sein, überall auf der Welt die aberwitzigsten Geschäfte zu machen: Und sei es, um Eis am Nordpol und Sand in der Wüste zu verkaufen. Wegen Prahlerei wird Dagobert aus dem Klub ausgestoßen und legt sich in einer irren Wette mit Klaas Klever an. Nun muss der Fantastilliardär mit Stock, Charme und Zylinder unter Beweis stellen, dass er den Schnabel nicht zu voll genommen hat.
Die erste Geschichte des LTBs ist nichts anderes als ein buntes Sammelsurium aus den versteckten Geschäftsobjekten der Einseiter-Serie "Mit Stock, Charme und Zylinder", die uns im Jahr 2022 in jedem LTB begleitet hat. Mit dieser Story findet die Serie ihren (krönenden?) Abschluss, hat aber mit 28 Seiten doch ein bisschen mehr Zeit mitgebracht. Die wunderliche Wette ist selbstverständlich ein oft bemühter Aufhänger, hier aber wirkt Onkel Dagoberts Zwangsaustritt erbärmlich an den Haaren herbeigezogen. Und ob er nun drin ist im Klub oder nicht, ist für die Wette ebenfalls unerheblich. Immerhin wirkt Onkel Dagobert nicht durchgängig wie ein bockiges Kind, sondern wird durchaus kreativ und selbstbewusst. Persönlich hätte ich es besser gefunden, wenn man sich auf den Nordpol und die Wüste konzentriert und den restlichen Quatsch weggelassen hätte, dann würde die Story nicht derart gestaucht wirken. Dass Klever zeitweise ins Geschehen eingreift, ist zwar erwartbar, aber in der gezeigten Form Kokolores: Wozu ist die Klub-Präsidentin schließlich die ganze Zeit mitgereist? Nebenbei bemerkt liest es sich auch sehr unsinnig, dass die Jung-Unternehmerin mit einer kleinen App, die ja so lange noch gar nicht verfügbar sein kann, mehr Gewinn erwirtschaftet als der gesamte Duck-Konzern innerhalb von zehn Jahren (!). Absurd...
Ferraris Zeichnungen wirken sehr gekritzelt, als wäre alles unter großem Zeitdruck entstanden. Eine Nachbearbeitung gab's offenbar nicht, anders lassen sich die vielen Gummischnäbel und Quadratköpfe nicht erklären. Merkwürdig, wie sich ein italienischer Stil so sehr "veregmontschen" lassen kann.
Fazit: Nicht mehr als Durchschnittsware und kein Grund zum Feiern.
Was gibt es sonst zum Band zu sagen?
Nebenbei bemerkt bietet der Egmont-Shop 750 Hardcore-Sammlern die Möglichkeit, LTB 566 "Goldenes Jubiläum" auch (oder zusätzlich!) in Gestalt der 13. LTB Collectors Edition zum Preis von 34,95 € zu erwerben. Das grün gefärbte Variant-Cover fällt hinter dem meisterhaft gefertigten Kunstdruck von Fabio Celoni meilenweit zurück... Wirklich gekonnt in Szene gesetzt! Aber wenn die LTB Collectors Edition mittlerweile nur noch zum letzten Band des Jahres zur Stärkung des Weihnachtsgeschäfts angeboten wird, finde ich das schon etwas schade.
Welche Details kann man schnell übersehen?
Im Entenhausener Museum hängen disneytypisch duckifizierte Versionen der "Mona Lisa" von da Vinci, des "Mädchens mit dem Perlenohrring" und Botticellis "Geburt der Venus". Ein im Hintergrund zu sehendes Kino kündet von einer Verfilmung des Romans "Die Orientlok" von Agathe Christel, doch der Detektivroman "Mord im Orient-Express" kam erst 1934 auf den Markt - damit zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der Comicgeschichte.
Wie sieht das Fazit zu LTB 566 aus?
Eine beeindruckende Vorsehung braucht es für die Rekapitulation von LTB 566 "Goldenes Jubiläum" wahrlich nicht:
1. Das Spiel des Schicksals
2. Die Legende des ersten Phantomias (Teil 18): Das Gespenst von Notre Duck
3. Das Geschäft des Jahrzehnts
4. Weich gebettet
5. Kunst am Hund
Das etwas einfallslose Cover und der träge Titel sind nur das blasse Aushängeschild dieses LTBs, dessen Qualitäten im Inneren liegen. Besondere Beachtung sollte die Tatsache finden, dass man uns die 190 Seiten starke Dagobert-Geschichte in einem Einzelband der Hauptreihe gönnt und sie weder in eine Nebenreihe auslagert oder über zwei + x LTBs zerpflückt hat. Man darf ungelogen von einem außerordentlich positiven Trend der letzten Monate sprechen, dass 2022 viele richtig lange Geschichten im monatlichen Lustigen Taschenbuch den Weg zu deutschsprachigen Fans gefunden haben! Hoffentlich ist es nicht nur ein vorübergehender Trend, sondern eine längerfristige Strategie und inhaltliche Fortentwicklung des LTB-Rezepts, dessen Zutaten zumeist aus Italien kommen, wo man ja schon länger neue Wege beschreitet.
Das Epos "Das Spiel des Schicksals" ist zweifelsfrei ein echtes Highlight im LTB-Jahr 2022 und lässt die Herzen von Onkel-Dagobert-Liebhabern garantiert höherschlagen! Dass es sich nicht um eine Jubiläumsgeschichte per Definition handelt, ist sicherlich von Vorteil für die effektvolle Story, die den von Romano Scarpa (fort)entwickelten, sanftmütigen und dennoch abenteuerlustigen Onkel Dagobert forciert. Dennoch könnte das Gefühl von Eintönigkeit aufkommen. Obendrein gibt es mit Marco Gervasios Münstermännchen-Märchen eine kleine Zugabe, die zu gefallen weiß, aber ein paar erzählerische Schwächen offenbart.
Was erwartet uns in LTB 567?
Zuletzt aktualisiert: 22.01.2023, 19:37