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Rezension: Das Gläserne Schwert


Titel: Das Gläserne Schwert
Geschichten: 5 (eine EV)
Comic-Seiten: 326
Format: 241mm x 165mm (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 06.12.2018
Preis: 25,00 EUR
Redaktioneller Teil: Luca Boschi
ISBN: 978-3-7704-3981-2

Wenn man über Fantasygeschichten in den Disney-Comics spricht, kommt man nicht wirklich an der "Asgardland-Saga" vorbei. Dieser Geschichtenzyklus von Massimo De Vita gehört seit seinem Erscheinen zu den beliebtesten italienischen Comics und erfreut sich auch im deutschsprachigen Raum großer Beliebtheit.

Inhalt der Trilogie – Goofy als Vetter des legendären Alf

"Das gläserne Schwert" (Teil 1) wird generell als der beste Teil der dreiteiligen Saga bezeichnet; eine ausführliche Rezension gibt es bereits hier. Kurz zusammengefasst, landen Micky und Goofy durch Zufall in einer anderen Dimension und entscheiden sich – an Stelle des eigentlich gefragten mythischen Helden Alf – gegen den bösen Herrscher Niflhard vorzugehen. Goofy mag als Held wie eine Fehlbesetzung wirken, aber er wächst in seiner Rolle als "Vetter von Alf" über sich hinaus.
"Das Turnier von Asgardland" (Teil 2) spielt ein Jahr später und erneut um die Weihnachtszeit. Micky und Goofy werden noch einmal ins Asgardland geholt, diesmal aufgrund einer großen Gefahr, die durch einen Vulkanausbruch droht. Um diesen zu verhindern oder zumindest abzumildern, braucht es einen besonderen Kristall. Und den bekommen unsere Freunde und das Volk der Ulis nur, wenn Goofy für den König der Grönen (dem der Kristall gehört) beim traditionellen Turnier antritt.
In "Die Rückkehr des Fürsten von Niflheim" (Teil 3) schließlich stellt sich heraus, dass der böse Fürst zwar besiegt war, seine Maske aber von einem Wanderer gefunden wurde und diesen in ihren bösen Bann gezogen hat.
Dementsprechend wird das Ululand erneut von einer schrecklichen Kältewelle überrollt. Eigentlich waren Micky und Goofy jedoch nur durch Zufall zurückgekehrt, weil Pluto aus Versehen mitsamt dem Dimensionsvektor ins Asgardland geschleudert wurde...

So simpel die Grundsituation auch klingt: Die Inszenierung ist einfach sehr gut gelungen, ebenso die Charakterisierung der vielen neuen Figuren. Massimo De Vita beschönigt nicht, er zeigt das Elend der von dem üblen Fürsten ausgesaugten Völker und bringt mit seinen detaillierten und ausdrucksstarken Zeichnungen auch die vielen Gefahren, die in und um Asgardland herum lauern, anschaulich herüber.
Aber auch schöne Landschaften, faszinierende Phänomene wie die Regenbogenbrücke und die attraktive Sumpfkönigin Hel (in die sich Goofy sofort verliebt) machen die Asgardlandsaga zu einem wahren Augenschmaus. Eine der vielen Stärken von De Vita als Autor ist zudem, dass er in den Fortsetzungen sowohl bereits bekannte Elemente verwendet als auch neue Dinge einbringt. Das sorgt – zusammen mit den charakteristischen Zeichnungen – dafür, dass Asgardland schnell für den Leser mindestens genauso "real" wird wie Entenhausen.


Veröffentlichung und Fortsetzung der Trilogie

Ihren Erstabdruck erfuhr die ursprüngliche Trilogie im italienischen Topolino jeweils in der Weihnachtszeit 1982, 1983 und 1984; gesammelt kamen alle drei Teile (sowie eine Scarpa-Weihnachtsgeschichte mit den Ducks) 1987 im Lustigen Taschenbuch 124 zu uns – im I.N.D.U.C.K.S. übrigens eines der am besten bewerteten LTBs aller Zeiten. Heutzutage ein Ding der Unmöglichkeit: Ein LTB mit gerade mal 28 Seiten aus dem Duck-Universum? Nicht mal zu Mickys 100. Geburtstag denkbar! Zudem würde man heute auch sicher keine Serie derart kompakt in einem Band der Hauptreihe unterbringen.

Jedenfalls zeigte sich bald, dass das eigentlich klar abgeschlossene Ende von Teil 3 nicht verhindern konnte, dass die Leser mehr aus der Welt um Asgardland erfahren wollten. Im Jahr 1989 wurde die Trilogie zum ersten (und definitiv nicht letzten Mal) auf Italienisch gesammelt nachgedruckt, wofür Massimo De Vita ein beeindruckendes Cover schuf. Anfang 1993, ziemlich genau zehn Jahre nach Erscheinen des ersten Teils, wurde in Italien die Fortsetzung "Der große Schlaf" veröffentlicht, bei welcher Fabio Michelini als Co-Autor in Erscheinung trat.
Micky und Goofy werden darin noch einmal zu Hilfe geholt, da die Maske immer noch einen negativen Einfluss auf die Bewohner des Asgardlands hat – diesmal fallen alle Bewohner früher oder später in einen magischen Schlaf. Zwar sollte eigentlich eine Prinzessin aus dem All die Bedrohung bannen, doch sie stach sich in den Finger und muss nun von einem Helden wachgeküsst werden...
Auch wenn die nachgeschobene Fortsetzung sich etwas zu sehr in Märchenklischees und allzu abseitigen Fabelwesen ergeht (was wohl eher an Fabio Michelini als an De Vita liegt), gibt es erneut schöne Momente wie das Wiedersehen mit dem sympathischen Drachen Nidhögg.

Ein Jahr später kam die vierte Geschichte 1994 im ersten LTB-Weihnachtsband zu uns – das passt, denn LTB 124 war in vielerlei Hinsicht ein Vorläufer der Weihnachts-LTBs. Die ersten drei Teile der Saga wurden zum ersten Mal 2003 in LTB Spezial 9 nachgedruckt, aus dem 2013 die Hardcover-Enthologie "Der Duck der Dinge" entstand.
Im gleichen Jahr kam die Saga – diesmal mit überarbeiteter Übersetzung und inklusive des vierten Teils – mit dem zweiten Band des LTB Fantasy auf den Markt. Ein weiterer Nachdruck in einer LTB-Reihe kam im Jubiläumsjahr 2017 durch die Abstimmungsergebnisse der Fan-Edition zustande; damit ist "Das gläserne Schwert" (der erste Teil der Saga) neben Scarpas "Irokesenkette" die einzige reine Maus-Geschichte, die es in die Fan-Edition geschafft hat! Allein das sagt schon viel über die anhaltende Popularität der Serie aus. Übrigens wurden die ersten beiden Geschichten 2019 in den USA im Rahmen von Fantagraphics' "Disney Masters"-Serie veröffentlicht, womit Massimo De Vita endlich auch im Geburtsland der Disney-Comics die ihm schon lange zustehende Anerkennung erhält.

Ende 2018 erschien eine luxuriösere Hardcover-Ausgabe, die von Format und Aufmachung her den auf einzelne Themen fokussierten Büchern der "Egmont Comic Collection" ähnelt (z. B. "Micky Holmes und Donald Watson"). Dagegen widmet sich "Das Gläserne Schwert" einer einzigen Serie – sprich: Der Inhalt besteht ausschließlich aus "Das gläserne Schwert", "Das Turnier von Asgardland", "Die Rückkehr des Fürsten von Niflheim", "Der große Schlaf" und der Mini-Parodie "Das kremige Schwert". Keine Quotenenten!


Der Inhalt:
Titel (Ort) Autor (A), Zeichner (Z), Übersetzer (Ü) Jahr S. Nachdruck aus
Das Gläserne Schwert A + Z: Massimo De Vita 1982 103 LTB 124, LTBSP 9, ENT 16, LTBFY 2, LTBFE 4
Das Turnier von Asgardland A + Z: Massimo De Vita 1983 80 LTB 124, LTBSP 9, ENT 16, LTBFY 2
Die Rückkehr des Fürsten von Niflheim A + Z: Massimo De Vita 1984 57 LTB 124, LTBSP 9, ENT 16, LTBFY 2
Der große Schlaf A: Fabio Michelini; A + Z: Massimo De Vita 1993 66 LTBSB 1, LTBFY 2
Das kremige Schwert A: Sio; Z: Silvia Ziche; Ü: Manuela Buchholz 2016 20 EV

Alte Klassiker im neuen Gewand: Wie gut ist die Neuauflage wirklich?

Wie man aber aus meinen Ausführungen bereits erkennen kann, hat es ja schon einige Abdrucke der Saga auf Deutsch gegeben, sowohl als Softcover als auch als Hardcover. Was spricht also für diesen Band? Nun, einmal winkt mit der Sio/Ziche-Parodie "Das kremige Schwert" aus dem Jahr 2016 eine exklusive Erstveröffentlichung, die außerhalb des Kontexts (z. B. im LTB) kaum Sinn gemacht hätte und vor allem an die Fans der Serie gerichtet ist. Dazu kommt das tolle, oben erwähnte De-Vita-Cover aus dem Jahr 1989, das sich auf dem dunkelblauen Kunstledereinband sehr schön macht und die Stimmung der Saga sehr gut einfängt. Das zuvor in der Vorschau des Verlags zu sehende Cover von Andrea Freccero begrüßt einen dafür auf der ersten Seite im Buch.


Ein anderer erwähnenswerter Punkt: Alle bisherigen Veröffentlichungen der Saga sind mehr (LTB 124, LTB Fantasy 2) oder weniger (LTB Spezial 9, Enthologie 16) leicht gekürzt. Meistens betrifft das nur die eröffnenden Splashpanels der jeweiligen Kapitel 2 und 3, aber im dritten Teil der Saga "Die Rückkehr des Fürsten von Niflheim" ist auch eine ganze Sequenz zu Beginn gestrichen, in der Jor einige Hintergrundinformationen über Asgardland liefert. In allen Fällen entgingen dem Leser dadurch bislang ein paar schöne De-Vita-Bilder. Im neuen Band gibt es endlich alle vier Teile ungekürzt inklusive aller ursprünglich im Topolino erschienenen Seiten: Noch mehr Asgardland geht nicht!

Die Geschichte "Das kremige Schwert" ist übrigens tatsächlich mehr oder weniger "in continuity" mit der Asgardland-Saga, ohne sie jedoch wirklich fortzusetzen: Micky und Goofy landen aus Versehen in einer anderen Fantasy-Dimension und müssen Frostgardland von einem üblen Fürsten befreien. Die Waffe der Wahl ist hierbei ein Eis am Stiel! Der Witz dahinter erschließt sich auf Deutsch leider nicht ganz so gut wie auf Italienisch, denn eigentlich ist das "gläserne" Schwert ursprünglich aus Eiskristall geschliffen (La spada di ghiaccio). Doch Sio und Ziche bauen so viel absurde Komik ein, dass man dennoch viel Spaß beim Lesen hat. Nicht zuletzt nehmen sie viele gängige Fantasyklischees auf die Schippe (z. B. die lange Reise, die gerade mal ein paar Minuten dauert) und überspitzen das Verhältnis zwischen dem heldenhaften Goofy und seinem "Anhängsel" Micky so dermaßen, dass man einfach schmunzeln muss. Auch der Schluss nimmt gekonnt Bezug auf die Asgardland-Saga.

Offenbar extra für diese Ausgabe wurde ein Vorwort von Luca Boschi verfasst (selbst einige Male als Autor und Zeichner in Erscheinung getreten, aber vor allem als Comic-Experte bekannt), welcher einige schöne Hintergrundinformationen zur Person Massimo De Vita liefert (wer wusste schon, dass der Meister viele seiner Comics auf Reisen geschaffen hat?) und auch ein bisschen in die Materie der Asgardland-Saga eindringt, quasi sowohl Inspiration als auch Interpretation liefert. Achtung: Wenn man die Geschichten noch nicht kennt, könnten Spoiler enthalten sein!
Das Vorwort ist zudem mit vielen schönen Bildern und Illustrationen garniert, darunter verschiedene Covers (u. a. von Marco Rota und Giorgio Cavazzano) und Bilder, die De Vita für die "Trilogia della spada di ghiaccio" 1989 angefertigte.

Die Übersetzung der vier regulären Teile orientiert sich – soweit ich das überblicken kann – klar an der ursprünglichen LTB-Fassung von Gudrun Penndorf. Michael Bregels Neuversion für das LTB Fantasy kann damit quasi als "Fehltritt" beiseitegeschoben werden...

Bei allen positiven Gesichtspunkten ist der Band dennoch nicht ganz perfekt. Durch die Seitenaufteilung bleiben zwischen den Comics zwei Seiten frei, die mit einzelnen freigestellten Panels aus den Comics gefüllt werden. An dieser Stelle hätte ich es lieber gehabt, wenn man die zusätzlichen Illustrationen aus der 1989er Trilogieveröffentlichung noch mal in größerem Format oder weitere Boni für Liebhaber und Sammler abgedruckt hätte. Auch die Illustrationen im Vorwort sind arg klein geraten und nicht komplett – zu "Der große Schlaf" hätte es noch ein Topolino-Cover von De Vita gegeben.

Ebenfalls kritisieren kann man die Tatsache, dass die Kolorierung nicht überarbeitet wurde. Zwar finde ich sie nicht unbedingt schlecht, jedoch ist 2009 die Originaltrilogie in Griechenland mit einer überarbeiteten Farbgebung erschienen, die für meinen Geschmack etwas frischer und weniger angestaubt aussieht. Gegen die Übernahme dieser Kolorierung mag gesprochen haben, dass der griechische Abdruck nicht ganz komplett ist – aber hätte es wirklich einen großen Mehraufwand gebraucht, um die wenigen fehlenden Seiten ebenfalls auf den neuen Stand zu bringen?

Fazit

Doch zurück zur eingangs gestellter Frage: Braucht man den Band? Jein. Dass ich jedem, der die Lustigen Taschenbücher mag, die mythische Asgardland-Saga ans Herz legen würde, steht außer Frage. Die hohen Platzierungen der Saga bei Umfragen unter den Fans kommen schließlich nicht von ungefähr. Man sollte allerdings abwägen, wie wichtig einem die genannten Vorteile sind und inwieweit man das "Recyceln" unterstützt.

Während wir immer noch auf die Erstveröffentlichung so mancher sagenumwobener Klassiker warten, werden andere Storys immer wieder aufs Neue abgedruckt (z. B. Phantomias' Einführungsgeschichte). Aber: Der Band macht schon etwas her im Regal – und auch wenn ich Hardcover-Ausgaben generell kritisch gegenüberstehe, so gehört "Das Gläserne Schwert" doch zu den wenigen ECC-Veröffentlichungen, die ich wirklich gutheißen kann. Als Fan und Liebhaber der Asgardland-Saga spürt man, dass es sich um eine den Comics angemessene Veröffentlichung handelt und De Vita auch eine verdiente Würdigung erfährt (die bisher allzu oft nur den großen Duck-Künstlern wie Barks oder Rosa zuteilwurde).

Tatsächlich würde ich mir wünschen, dass ein paar andere legendäre Serien und Highlights aus den vergangenen Jahren ebenfalls in diesem Format nachgedruckt werden. An Auswahl mangelt es nicht, man denke nur an De Vitas "Kampf der Galaxien" oder die "Drachenland-Trilogie" von Mognato/Dalla Santa, zu denen sich zwar keine Erstveröffentlichungen, jedoch mindestens genauso viele fehlende Cover, Illustrationen und Hintergründe finden ließe.

Einen speziellen Dank möchte ich zudem noch an Fabian Gross richten, der mir zunächst durch seine Mitwirkung an den fünf schwarzen ECC-Anthologien (Donald, Goofy, Micky, Daisy und Dagobert) und jetzt durch diesen Band positiv aufgefallen ist. Vielleicht kann dieser Redakteur ja auch einen Beitrag zu Mickys Image leisten und noch das ein oder andere interessante Maus-Projekt anschieben.

Von Spectaculus, August 2019





Zuletzt aktualisiert: 21.08.2019, 15:36
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