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Rezension: 11 1/2 Orte, die Ente gesehen haben muss

Titel: 11 1/2 Orte, die Ente gesehen haben muss
Geschichten: 10 (keine EV)
Comic-Seiten: 269
Format: 175mm x 246mm (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 07.04.2016
Preis: 14,99 EUR
Redaktioneller Teil: Joachim Stahl
ISBN: 978-3-7704-3904-1

Anmerkung: Diese Rezension ist HIER auch als Video-Rezension verfügbar!

Sommerzeit, Ferienzeit, Reisezeit! – Nein, dabei handelt es sich nicht um die üblichen saisonalen Bände des Lustigen Taschenbuches, die alljährlich den Kiosk im Sommer dominieren. Im Frühjahr 2016 schickte die Egmont-Comic-Collection die beliebten Entenhausener um Donald Duck auf eine turbulente Weltreise quer über den Globus. Neben den "Must-Haves" der europäischen Hauptstädte wie Paris, London, Wien oder Kopenhagen ging es für die Ducks dabei auch auf andere Kontinente: Immer auf der Spur der bekanntesten Sehenswürdigkeiten! Oder ist es am Ende doch in der heimischen Hängematte am schönsten? - In der Reiseführer-Parodie "11 ½ Orte, die Ente gesehen haben muss" begleiten wir die Entenhausener Weltenbummler bei Ihrer Reise. Ob das Comicbuch den Weg in die Reisetasche finden sollte, soll die folgende Kurz-Rezension beleuchten.

Mit den Disney-Figuren auf Reisen zu realen Orten zu gehen, ist für mich seit jeher immer wieder ein besonders Erlebnis. Die kunterbunten Charaktere brechen aus ihrem fiktiven Minikosmos Entenhausen aus und betreten die Bühne real existierender Schauplätze. Derartige Geschichten lassen uns als Leser über den fiktiven Tellerrand Entenhausens hinwegschauen und vermitteln authentische Eindrücke von Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit, wenn Donald & Co. den Eiffelturm besteigen oder über die Rialto-Brücke spazieren, als wäre es das Einfachste von der Welt! Die Entenhausener werden nahbarer, wenn sie Abenteuer in der uns bekannten Realität erleben – und natürlich können gerade jüngere Leser mit den Ducks spielerisch die Welt erkunden, Sehenswürdigkeiten bestaunen und historische Fakten kennenlernen.

All diese Grundgedanken stehen hinter dem Band "11 ½ Orte, die Ente gesehen haben muss", der als Reiseführer-Parodie zehn ausgewählte Geschichten umfasst. Dabei handelt es sich – sehr zum Bedauern eifriger Sammler – ausschließlich um Nachdrucke bereits veröffentlichter Storys (die Hälfte davon aus dem LTB). Gelungene Erstveröffentlichungen sucht man vergeblich.

Gegliedert ist der Band in zehn verschiedene Kapitel, die sich jeweils einem Reiseziel widmen. Die Ducks besuchen in den ersten acht Episoden Paris, Pisa, Wien, Ägypten, Neuschwanstein, Venedig, London und Kopenhagen. Die Geschichte "Einmal Australien und zurück" fällt hingegen etwas aus dem Rahmen, denn in ihr machen die Entenhausener Abstecher nach San Francisco, Polynesien und Sydney: Also gleich drei Orte in einer Story! Ein bisschen Mogelpackung ist das schon, denn man hätte den Band genauso gut auch noch mit zwei weiteren Ausflügen bestücken können... Oh, und die Antwort auf die Frage, warum Entenhausen als finaler Abschluss nur als ein halber Ort gewertet wird, bleibt uns der Reiseführer schuldig!

Für die redaktionellen Texte wie das voranstehende Vorwort zeichnete sich Joachim Stahl verantwortlich, der als Redakteur und Übersetzer für Ehapa tätig ist. Für das Vorwort schlüpfte Stahl in die Rolle von Dagobert Duck, der sich als Chef von "DuckTours" rühmt, das "Entenhausener Reiseunternehmen Nr. 1" zu leiten. Der Text soll übertrieben witzig wirken, kommt jedoch eher peinlich und ziemlich unnötig herüber. In der Art, wie das Vorwort geschrieben ist, würde sich ein Dagobert Duck wahrscheinlich niemals äußern. Und schon gar nicht würde er einen kompletten Absatz aus dem "Großen Duckhaus" zum Thema Reisen zitieren, für den Joachim Stahl ja ebenfalls die Texte beisteuerte (dort aus der Sicht von Primus von Quack). Leider kann ich mich damit überhaupt nicht anfreunden, lustig und lesenswert ist die Laberei für mich persönlich nicht.

Vor den eigentlichen Bildgeschichten werden auf jeweils einer Seite wissenswerte Informationen zum Reiseziel zusammengetragen. So werden leicht verständlich Hintergründe zu Sehenswürdigkeiten geliefert, aber auch historische und geographische Fakten zum Ort lassen sich hier finden. Diese sind zwar sachlich, jedoch ab und zu auch mit einem Augenzwinkern á la "Entifizierung" verfasst und gut zu lesen. Ausgewählte Panels mit Bauwerken runden die Reisetipps ab.

Zu jedem Comic gibt es einen hübschen Schnappschuss, der zumeist Donald mit einer Sehenswürdigkeit des besuchten Schauplatzes zeigt. Diese gagreichen Illustrationen, die ganz wundervoll koloriert und damit ein echter Hingucker sind, stammen vom Zeichner Francisco Rodriguez Peinado (kurz "Paco Rodriguez").
Der spanischstämmige Künstler aus Barcelona, der seit über 25 Jahren Disney-Comics zeichnet, kreierte auch das schöne Covermotiv mit Szenen aus Pisa, Paris und Venedig. Zur Veröffentlichung von "11 ½ Orte, die Ente gesehen haben muss" signierte Rodriguez übrigens zehn Bücher, die später exklusiv im Onlineshop von Egmont angeboten wurden. Kurz darauf kam der Band auch in den Egmont-Ländern Dänemark und Schweden auf den Markt.

Doch was wird nun inhaltlich geboten? Wissen die Geschichten zu überzeugen? – Antwort: Teils, teils.
Allgemein kann man durchaus sagen, dass die ursprünglich in Italien publizierten Storys denen der Egmont-Produktion in Sachen Qualität eine Schnabellänge voraus sind. Wenn Donald und die Neffen im Mai 2015 zum Eurovision Song Contest nach Wien reisen, dort auf die deutsche Sieghoffnung Ann-Katrin (eigentlich Ann-Sophie) treffen und diese dann ausgerechnet den letzten Platz belegt (und Österreich den vorletzten Platz, kein Scherz!) ist das schon mal kein gutes Omen. Auch in Kopenhagen richtet Donald eine Katastrophe nach der anderen an und brüskiert die dänische Königin Margarethe. Zu Gast auf dem deutschen Schloss Neuschwanstein drehen die Ducks mit Schwung am Rad der Geschichte, wobei der beabsichtigte Gruselfaktor nicht wirklich zieht. Unangemessen erscheint hier zudem das Detail, dass in dem urbayrischen Tante-Emma-Laden für eine Taucherrüstung geworben wird; obwohl den meisten Lesern das Schicksal von König Ludwig II. bekannt sein dürfte. Autsch!

Der Inhalt:
Titel (Ort) Autor (A), Zeichner (Z), Übersetzer (Ü) EV-Jahr S. Nachdruck aus/in
Geheimnis gelüftet... (Paris) Z: Carlo Limido 2012 26 LTB 457, LTB Fan-E. 3
Der schiefe Turm von Pisa A: Giorgio Pezzin; Z: Giorgio Cavazzano; Ü: Gudrun Penndorf 1984 36 LTB 150
Das Wunder von Wien A: Gorm Transgaard; Z: Maximino; Ü: Marc Moßbrugger 2015 12 MM 22/15
Die Mitgift der Pandora (Ägypten) A: Gabriella Damianovich; Z: Romano Scarpa & Sandro Del Conte 1988 30 DD 421, LTBSP 12, DDCO 20
Die Geisterkutsche (Neuschwanstein) A: Per Hedman; Z: Wanda Gattino; Ü: Peter Daibenzeiher 2007 12 MM 45/07, LTBMU 1, MM Edition 5
Der Schatz der Dogen (Venedig) A: Carlo Chendi; Z: Romano Scarpa; Ü: Gudrun Penndorf 1963 32 u. a. LTB 12, LTBSP 2
Das olympische Feuer (London) A: Pat & Carol McGreal; Z: Ferioli; Ü: Reinhard Schweizer 2012 10 MM 32/12
Die Ducks in Dänemark (Kopenhagen) A: Gorm Transgaard; Z: Paco Rodriguez; Ü: Jano Rohleder 2010 12 TGDDSH 313
Einmal Australien und zurück (Australien/USA/Polynesien) A + Z: Guido Scala 1993 42 LTB 195, LTBSP 53
Bombastisch gescheitert (Entenhausen) A: Jens Hansegård; Z: Massimo Fecchi 2007 30 LTB 367, LTBENG 6

Ein bisschen besser weg kommen die Trips nach London, Ägypten und Paris. Für Donald geht es mit samt seines Onkels Dagobert Duck – der den Briten einen neuartigen Antriebsmechanismus für die Tower Bridge verkaufen möchte - in die Hauptstadt des einst so stolzen Empires, wo im Sommer 2012 die Olympischen Sommerspiele ausgetragen wurden. Die einzige richtige Schatzsuche führt die Familie Duck in "Die Mitgift der Pandora" zwar nur für fünf Minuten nach Ägypten - stattdessen spielt das Abenteuer hauptsächlich in Südamerika - überzeugt aber durch interessante Wendungen und einen cleveren Verlauf. Gleich zu Beginn besuchen die Entenhausener die französische Metropole Paris und machen natürlich auch vor den Toren des Disneyland Paris nicht halt.

Die besten Geschichten sind in meinen Augen die Reisen nach Venedig, Pisa und den ozeanisch-pazifischen Raum um Australien. Zunächst bringt Donald seinen reichen Erbonkel dazu, ihm einen Aufenthalt in Venedig zu spendieren, um dort nach dem untergegangenen "Schatz des Dogen" zu suchen, der in den Lagunen der prächtigen Handelsstadt verloren ging. Dieser Klassiker von Carlo Chendi und dem Duo Scarpa/Cavazzano aus dem Jahr 1963 zählt nicht ohne Grund zu den beliebtesten Comicabenteuern. Kein langer Weg ist es von Venedig nach Pisa, wo Onkel Dagobert gemeinsam mit seiner Sippschaft ein heruntergekommenes Hotel am besten Platz der Stadt erworben hat. Doch sein Erzrivale Klaas Klever ist mit allen Wassern gewaschen und beschließt, den heranstürmenden Touristenmassen ein jähes Ende zu bereiten, in dem er den Schiefen Turm von Pisa wieder aufrichten lässt... Ein echter Kult-Comic von Giorgio Pezzin, meisterhaft in Szene gesetzt von Giorgio Cavazzano in dessen Hochphase. In "Einmal Australien und zurück" nehmen Onkel Dagobert und seine Neffen bei Guido Scala an einem spannenden Wettrennen teil, um am schnellsten den Pazifischen Ozean von San Francisco nach Sydney zu überqueren.


Fazit: Nach der unvoreingenommenen Lektüre war ich ehrlich enttäuscht. Obwohl mit einem interessanten Ansatz konzipiert, kommt "11 ½ Orte, die Ente gesehen haben muss" nicht über ein schnödes "Okay" hinaus. Die Auswahl der Geschichten ist wahrlich nicht perfekt (beispielsweis hätte sich "Das Geheimnis von Paris" aus LTB 159 mehr als angeboten!) und es gelingt nicht immer, die Klischees und Stereotypen der Schauplätze dezent und geschmackvoll zu verpacken (siehe Kopenhagen). Die Geschichte um Ägypten spielt zu 99 % in Südamerika, dafür wird Italien gleich doppelt besucht und während in Wien viel zu dick aufgetragen wurde, kann man die Verortung von Neuschwanstein schon einmal übersehen.

Zwar sind viele gute Künstler vertreten, doch die nicht vorhandenen Erstveröffentlichungen schrecken Sammler augenscheinlich vom Kauf ab. Über den irreführenden Titel und die verkorkste Einleitung kann man dagegen hinwegsehen, dafür ist die Aufmachung (sprich das Titelbild, die vorangestellten Reisetipps sowie die "Schnappschüsse") gelungen. Die in Entenhausen spielende Bonusgeschichte ist nett, aber kein Highlight.

Ist man noch auf der Suche nach der richtigen Reiselektüre für die Ferien, ist man mit einem prall gefüllten LTB Spezial wahrscheinlich besser bedient.



Von Entenfan, Juni 2019





Zuletzt aktualisiert: 30.06.2019, 13:13
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