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Interview mit Michael Bregel

In der Entenhausener Szene ist Michael Bregel als Übersetzer bei Ehapa bekannt. Seit 2004 hat er für diverse Publikationen bereits hunderte von Disney-Comics ins Deutsche übertragen. Hier findet man eine Liste, welche allerdings die LTB-Veröffentlichungen nicht einschließt.

Im Januar 2009 haben wir ihn angeschrieben und um ein Interview gebeten. Die 14 Fragen, die er für uns beantwortet hat, zeigen, dass er nicht nur ein Übersetzer, sondern auch ein großer Fan und Experte des Mediums Comic ist. Viel Spaß beim Lesen!

PS: Mehr Informationen und weiterführende Links gibt es im Duckipedia-Eintrag zu Michael Bregel.


8) Findige Forscher können im Impressum des TGDDSHs unter anderem auch Ihren Namen entdecken - wie definiert sich da Ihre Arbeit in der Redaktion? Was uns außerdem interessieren würde: Werden Sie auch weiterhin eigene redaktionelle Beiträge schreiben, wie es zum Beispiel mit Ihrem "Blick zurück" zum 40-jährigen Bestehen des LTBs der Fall war?
Für das DDSH redigiere ich die redaktionellen Texte und mache die Schlussredaktion der Nicht-Comic-Seiten.
Als gelernter und langjähriger Journalist schreibe ich, wenn ich gefragt werde, jederzeit gern redaktionelle Beiträge, informativ-sachliche genauso wie Interviews oder eher glossierende Texte wie in den Jubiläums-LTBs. Abgesehen von gelegentlichen Namensbeiträgen verfasse ich aber ohnehin regelmäßig auch Nicht-Comic-Texte für Disney-Publikationen von Ehapa - es ist halt nicht bei jedem Text der Autor genannt, und das ist auch gut so. ;-)

9) Eine Frage, die nicht fehlen darf: Von welchen Künstlern übersetzen Sie denn besonders gerne die Comics? Und: Könnt ihr Übersetzer eigentlich Sonderwünsche stellen, also zum Beispiel darum bitten, vermehrt Geschichten mit bestimmten Figuren oder Zeichnern zugeteilt zu bekommen?
Sonderwünsche in Bezug auf Figuren, Zeichner oder Autoren sind weniger üblich. Das gab es meines Wissens mal bei einzelnen Geschichten des Spätwerks von Don Rosa, verständlich, die sind ja auch rar und für manche Rosa-Experten unter uns Übersetzern besonders interessant. Aber ansonsten übersetzt - soweit ich weiß - jeder das, was ihm von den jeweiligen Redakteuren zugeteilt wird. Wobei die Redakteure da eigenem Bekunden nach schon in Betracht ziehen, wenn einem Übersetzer ihrer Ansicht nach ein bestimmter Charakter oder ein bestimmter Autor besonders liegt. Aber zu Exklusiv-Zuteilungen führt eigentlich auch das nicht, höchstens zu Schwerpunkten. Ich denke, vom aktuellen Ehapa-Übersetzerteam kann jeder alles in guter Qualität übersetzen, das sind alles fähige Kollegen. Im Disney-Bereich übersetze ich sehr gerne Stories von Scarpa, Rota und Faraci... Marco Gervasio und Casty finde ich von den jüngeren italienischen Autoren gut... Silvia Ziche schreibt großartig, taucht aber bei Disney meist nur als Zeichnerin auf - warum eigentlich? (Ihre zwei sensationellen Comic-Bücher "San Francisco" und "Due" sollte jeder haben, wieso gibt's die nicht auf Deutsch? Würde ich beide rasend gern übersetzen!!!) Jonker und Geradts mag ich von den Holländern gerne... die McGreals aus den USA (kennt ihr Pat McGreals Nicht-Disney Graphic Novel "Veils" aus dem Jahr 1999? Energische Empfehlung, ganz großer Sport!)... Arild Midthun und Kari Korhonen aus Skandinavien... aber das ist eigentlich alles viel zu sehr verallgemeinernd. Die allermeisten regelmäßigen Disney-Autoren haben großartige Geschichten geschrieben, genauso wie den einen oder anderen Totalausfall. Wenn ich mir - jetzt mal völlig frei gesponnen - Entenhausen-Comics zum Übersetzen wünschen dürfte, die es (noch?) nicht gibt, dann würde ich für mein Leben gerne ein Supergoof-Batman-Crossover lesen und bearbeiten, geschrieben von Jeph Loeb und Paul Murry mit Bleistift von Darick Robertson ("Transmetropolitan", "The Boys") und Tusche von Giorgio Cavazzano (dessen "Spider-Man in Venedig" mich superheldentechnisch voll überzeugt hat).
Außerdem eine schön gruselige Pipwolf-Story - das ist Goofys Werwolf-Alter-Ego, kennt man den hier aus Micky-X? - aus der Feder von Roberto Recchioni (einem der Schöpfer und Autoren der italienischen Serie "John Doe", dem Besten, was der internationale Comicmarkt in diesem Jahrzehnt zu bieten hat), gezeichnet von Luca Enoch (schrieb und zeichnete unter anderem die italienischen Reihen "Sprayliz" und "Gea").

10) Einer Ihrer besten Leistungen war, wie ich finde, die Übersetzung zu Marco Rotas "Das Hypnosekomplott" (TGDDSH 216) - beileibe nicht das einzige Ihrer Werke, welches vor allem durch die Anwendung außerordentlich ausgeklügelter Alliterationen in allen Ausmaßen auftrumpft. Dieser Wortwitz wird allerdings nicht nur positiv aufgefasst, andere bezeichnen das als überladen und somit störend - was haben Sie dieser Kritik zu entgegnen?
Erst mal danke für das Kompliment, diese Rota-Geschichte hat mir auch viel Spaß gemacht. Schöne Alliteration Ihrerseits übrigens zum Ende des ersten Satzes der Frage! Chapeau! Dass mein Alliterationismus nicht allüberall als absolut allein seligmachend empfunden wird, habe ich mitbekommen. Ich habe das in meinen ersten ein, zwei Übersetzerjahren auch definitiv übertrieben. Inzwischen setze ich Alliterationen bewusst deutlich sparsamer ein, es gibt ja auch noch viele andere unterhaltsame Möglichkeiten gepflegten Wortwitzes. Manchmal schwemmt es aber halt doch noch den einen oder anderen massiv Stabreim-gesättigten Uralt-Text aus den Untiefen des Stehsatzes hinauf und hinein in eine aktuelle Veröffentlichung...

11) In "Rätselraten am Weidenwaldsee" (LTB 362) hat der Übersetzer gezwungenermaßen Goofys Hut für ein Akrostichon mit der seltsamen Bezeichnung "Immerauf" versehen. Gab es auch in Ihrer Karriere schon Situationen, in denen Sie verzweifelt versucht haben, etwas ins Deutsche zu übertragen, was eigentlich gar nicht möglich oder sinnentstellend ist?
Verzweiflung ist immer eine schlechte Grundlage, um eine gute Lösung zu finden, egal ob beim Texten oder anderswo. Ich betrachte vermeintlich "unübersetzbare" Textteile als interessante Herausforderung, im Deutschen eine zumindest nicht weniger treffende Wendung zu finden. Echt fordernd ist es in diesem Zusammenhang gelegentlich - passend zu Ihrem Website-Namen Fieselschweif.de - aus langen Buchstabenfolgen krudestmöglicher Titel von Fieselschweif-Obersten dann auch für den Sternchen-Kasten Bedeutungen zu zimmern, die nicht allzu gequält, sondern heiter wirken.
Allgemein besteht das Problem wie in der Geschichte, die Sie in Ihrer Frage genannt haben (die ich allerdings nicht übersetzt habe), am ehesten bei Geschichten, wo im Originaltext zum Beispiel wegen eines Rätsels ganz bestimmte Worte oder Teile davon im Zusammenhang der Story ganz bestimmte Lösungen oder neue Worte ergeben müssen. Wenn man diese Worte einfach übersetzt, funktioniert das aber meist nicht mehr - und damit die ganze Geschichte. Noch schlimmer ist, wenn das Gesuchte vom Zeichner auch noch auffällig abgebildet wird, dann müssen die übersetzten Begriffe auf Deutsch zwangsläufig ähnlich sein, ohne dass sich dabei genauso zwangsläufig die aus den Buchstabenfolgen der Originalbegriffe abgeleiteten Lösungen ergeben würden. Ein in dieser Hinsicht komplizierter Übersetzungs-Fall, an den ich mich erinnere, war die Geschichte "Der mysteriöse Monsieur Leclic" in LTB Exklusiv 1.
Besonders häufig tritt das Risiko einer sinnentstellenden Übersetzung bei Disney-Comics aber nicht auf, ganz einfach deswegen, weil die Geschichten meist mehrseitig sind und reichlich Text bieten.

Zwar konstruiert, aber es funktioniert!
Da lässt sich durch behutsames Umformulieren über ein paar Sprechblasen hinweg fast alles so auffangen, dass es auch im Deutschen Sinn ergibt. Problematischer ist das bei Stripcomics wie Hägar, die manchmal mit nur einem oder zwei Textteilen für den ganzen Strip auskommen. Wenn der Autor sich dann noch komplett auf ein Wortspiel mit einer nur in der Originalsprache gängigen Redensart beschränkt und deren Mehrdeutigkeit dazu auch noch illustriert - Dik Browne hat das ausgiebig und mit Hingabe zelebriert -, wird es für den Übersetzer kritisch. Dann bleibt einem manchmal nichts anderes übrig, als komplett neu zu texten und einen möglichst unpeinlichen deutschen Gag dazu zu finden. Da wären wir dann doch manchmal durchaus wieder beim Stichwort Verzweiflung.

12) Und ist es eigentlich allgemeiner einfacher, eine Story zu übersetzen, die im Original gar keinen Wortwitz enthält oder eine, die gespickt davon ist? Wir könnten uns zumindest vorstellen, dass es bei schwächeren Geschichten eine Herausforderung ist, sie mit Wortspielereien aufzuwerten, während bei bereits im Original sehr witzigen Geschichten die Anforderung darin besteht, den Witz wortgerecht zu übertragen.
Ich würde nicht unbedingt sagen, dass Geschichten mit weniger Wortwitz generell die schwächeren und sprachlich funkelnde die besseren sind. Der Text und auch der Witz einer Story sind in sehr großem Maße davon abhängig, was da wie erzählt wird, auch bei Disney-Geschichten. Stimmt schon, ein Funny-Comic sollte per se eigentlich danach streben, irgendwie lustig zu sein. Bei einer langen Abenteuergeschichte zum Beispiel kann aber ständiges Gekalauere auch völlig unangebracht sein, die sollte man dann auch nicht mit Gewalt "aufwerten" wollen. Dagegen hat eine Gag-Story mit wenigen Seiten aus meiner Sicht gefälligst nicht nur eine Schlusspointe zu bieten, sondern auf dem kurzen Weg dorthin auch noch den einen oder anderen zusätzlichen Lacher aufzufahren. Man muss beim Übersetzen - sei es nun ein Comic oder Literatur ohne Grafik - immer versuchen, sich in das hineinzuversetzen, was der Autor des Originaltextes mit seiner Art der Sprachwahl im Sinn hatte und das dann dem jeweiligen Werk angemessen zu übertragen. Das ist wohlgemerkt kein Plädoyer für möglichst stures Am-Originaltext-Kleben, im Gegenteil.
Gerade Geschichten mit sehr viel Wortwitz wird man meiner Meinung nach am ehesten gerecht, wenn man danach strebt, dass die übersetzte Version für das jeweilige Sprachempfinden möglich genauso witzig rüberkommt. Und weil die Vorstellung von "lustig" und "Wortwitz" in verschiedenen Sprachen ganz unterschiedlich ist, kann das durchaus bedeuten, dass man auch mal in der Übersetzung nicht funktionierende Witze komplett streichen und durch im eigenen Kulturkreis zündendere ersetzen muss. Das wird dem Original sicher gerechter als eine "richtige", aber unlustige Übersetzung. Insofern habe ich auch beim brachial verallgemeinernden, von vielen Übersetzern, Textbearbeitern und Redakteuren aber trotzdem immer wieder als "eherne Regel" postulierten "So wörtlich wie möglich, so frei wie nötig" so meine Bauchschmerzen. Das ist im konkreten Übersetzungsfall sicher nicht immer die optimale Maßgabe.

13) Wie bereits erwähnt, wissen wir im LTB nie, von wem die einzelnen Geschichten übersetzt wurden. Können Sie uns einige Werke nennen, die Sie in letzter Zeit fürs LTB übersetzt haben oder geht das wirklich nicht?
Zweiter Versuch, hm? Wie schon gesagt, möchte ich den Ratefreunden ihr lustiges LTB-Rätselspiel nicht vermiesen. Aber den einen oder anderen Hinweis habe ich ja in den vorangegangenen Antworten schon gegeben, oder? Einen kleinen allgemeinen Tipp kann ich aber hinzufügen: Für die "normale" LTB-Reihe übersetze ich recht wenig, für andere dagegen... Und zumindest eine meiner Lieblings-LTB-Übersetzungen der jüngeren Zeit verrate ich euch auch gerne, weil die nicht nur in Band 4 der LTB-Jubiläumsedition erschienen ist, sondern auch in "Heimliche Helden" 7: "Der Schatten des Drachen" von Faraci/Mottura. Oha, die Lieblingsübersetzungen-Frage kommt ja erst noch - 'tschuldigung.

14) Zu guter Letzt: Obwohl Sie erst seit 2004 für Ehapa übersetzen, haben Sie schon ganz schön viele Comics aus Entenhausen ins Deutsche übertragen. Welche Geschichten haben Ihnen denn beim Übersetzen den meisten Spaß bereitet? Und gibt es auch Comics, von denen Sie am liebsten die Finger gelassen hätten?
Stimmt, inzwischen sind da schon ein paar Hundert Entenhausen-Comics zusammengekommen. Außerdem übersetze ich für Ehapa ja auch noch ein paar andere Sachen, Kim Possible macht zum Beispiel echt Laune, vor allem seit Sune Troelstrup die Comics schreibt. Aber zurück nach Entenhausen, eigentlich macht mir beim Übersetzen die Mehrzahl der Geschichten Spaß. Deswegen kann ich auch keinen Comic benennen, von dem ich lieber die Finger gelassen hätte. Wie weiter oben schon erwähnt: Eigentlich empfinde ich alles, was kommt, als interessante Herausforderung und bin sehr dankbar, als seit meiner Kindheit großer Comic-Enthusiast meinen Lebensunterhalt nun damit verdienen zu dürfen, Comics mitzugestalten.
Ich könnte also ganz viele Geschichten nennen, an denen ich sehr gerne gearbeitet habe, und die Liste wäre trotzdem längst nicht vollständig. Ganz spontan und ohne großes Grübeln fällt mir "Die vollendete Unvollendete" von Halas/Vicar in DDSH 214 ein, Mozart höre ich auch im "richtigen Leben" gerne. Dann "Goofy als Stradivari" in Band 2 von "Goofy - Eine komische Historie", diese Goofy-Alben hab ich schon als Kind geliebt! Außerdem Rotas "Bratenduft schlägt Kampfeslust" in "Hall of Fame" 7. (Mein eigenes Interview mit Marco Rota, das teilweise im DDSHSP 8 und ganz im Internet zu lesen ist [Anmerkung: Und zwar hier], stellte sich, nachdem ich die Antworten vorliegen hatte, übrigens überraschenderweise als die komplizierteste Übersetzung heraus, die ich bisher zu bewältigen hatte.) Natürlich erinnere ich mich gerne an Scarpas "Piraten in der Lagune" im Supergoof-Band 1 der "Heimliche Helden"-Reihe, weil ich Venedig sehr gerne mag. Und unter den Sachen für die "Micky Maus" habe ich mich zum Beispiel mit "Das Geheimnis der Freilaurer" (LaBan/Massaroli) in MM 3-2006 sehr vergnügt und als großer Fußballfan und Ex-Sportreporter auch mit diversen Geschichten rund um den 1. FC Entenhausen.


Als Abschluss ein Ausschnitt aus Kari Korhonens "Revierkämpfe" (TGDDSH SP 7) - ein ebenfalls empfehlenswertes Ergebnis von Michael Bregels Übersetzerarbeit

Vielen Dank für das Interview, Herr Bregel!
Fragen von Manuel Schumann (mit freundlicher Unterstützung des Kollegen und der T.E.S.T.L.E.S.E.R.)
Januar 2009




Zuletzt aktualisiert: 30.01.2012, 00:35
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